Palliativversorgung und Psychotherapie

Bericht der PTK-Tagung am 12. Dezember 2009 in Düsseldorf

Welche Begleitung brauchen schwerstkranke und sterbende Menschen und was kann die Psychotherapie leisten, damit es gelingt, die letzte Phase des Lebens anzunehmen? Das war eine zentrale Frage der Tagung „Palliativversorgung und Psychotherapie“, die die Psychotherapeutenkammer NRW mit über 50 Teilnehmern am 12. Dezember 2009 in Düsseldorf durchführte. Patienten, aber auch ihre Angehörigen erleben bei fortschreitenden Erkrankungen mit begrenzter Lebenserwartung elementare Auseinandersetzungen mit Leben und Tod, die zu psychischen Krisen und Erkrankungen führen können.

„Die Diagnose einer unheilbaren Krankheit ist für Patienten wie Angehörige eine existenzielle Grenzsituation, die psychisch extrem belastend ist“, sagte Monika Konitzer, Präsidentin der Psychotherapeutenkammer NRW, in ihren einleitenden Worten. Sterben sei keine Krankheit, aber die Situation sei eine seelische Herausforderung für alle Beteiligten. Psychotherapie könne wesentlich dazu beitragen, dass der Abschluss des Lebens trotzdem gelinge. „Jeder Mensch hat auch noch in den Wochen und Monaten vor seinem Tod das Recht auf die beste medizinische und psychotherapeutische Unterstützung“, stellte Konitzer fest. „Gerade in diesen Grenzsituationen muss ein Gesundheitssystem beweisen, ob es in der Lage ist, ein Sterben in Würde und Selbstbestimmung zu ermöglichen.“

Die ambulante Palliativversorgung (SAPV) ist seit 2007 in der gesetzlichen Krankenversicherung verankert (§ 37b SGB V). Danach haben Versicherte mit einer nicht heilbaren, fortschreitenden und weit fortgeschrittenen Erkrankung bei einer zugleich begrenzten Lebenserwartung einen Anspruch auf „spezialisierte ambulante Palliativversorgung“ (SAPV). Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) veröffentlichte zu dieser gesetzlichen Regelung im März 2008 die notwendige Richtlinie. Danach soll die SAPV Patienten ein menschenwürdiges Leben bis zum Tod auch in ihrer vertrauten häuslichen Umgebung oder in einer stationären Pflegeeinrichtung ermöglichen. Ziel ist der Erhalt der Lebensqualität und die Förderung der Selbstbestimmung, wobei besonders die individuellen Bedürfnisse und Wünsche der Patienten im Vordergrund stehen. Nachdem die Spitzenverbände der Krankenkassen im Juli 2008 auch ihre SAPV-Empfehlungen vorlegten, waren die juristischen Voraussetzungen erfüllt, dass Leistungserbringer und gesetzliche Krankenkassen Verträge zur palliativen Versorgung abschließen können. Der individuelle Leistungsanspruch auf SAPV kann seither praktisch umgesetzt werden.

Die Leistungen, die die G-BA-Richtlinie vorsieht, können von Vertrags- oder Krankenhausärzten verordnet werden. Ein besonders qualifiziertes interdisziplinär zusammengesetztes Palliativ-Care-Team (PCT) kann je nach Bedarf beratend tätig werden, die Versorgung koordinieren, mit zusätzlichen Maßnahmen unterstützen oder diese auch vollständig übernehmen. „Psychotherapeuten kommen in diesen sozialrechtlichen Regelungen bisher nicht vor“, kritisierte NRW-Präsidentin Konitzer. Die spezialisierte ambulante Palliativversorgung umfasse bisher nur ärztliche und pflegerische Leistungen. Dennoch könne jeder Psychotherapeut selbstverständlich einen sterbenden Patienten beraten und behandeln. „In Zukunft müssten Psychotherapeuten allerdings in palliative Versorgungsnetze einbezogen werden“, erklärte Konitzer. Dafür müssten sie selbst noch definieren, welche Rolle sie dabei übernehmen wollen. Um Antworten auf diese Fragen zu finden, habe die Psychotherapeutenkammer NRW diese Fachtagung organisiert.

An der Entstehung und Etablierung einer flächendeckenden Palliativversorgung war die Hospizbewegung wesentlich beteiligt. Ihr Engagement für ein menschenwürdiges Sterben führte erst dazu, dass die Politik bereit war, in der gesetzlichen Krankenversicherung die dafür notwendigen leistungsrechtlichen Grundlagen zu schaffen. Christoph Drolshagen, Vorstand des Hospiz- und Palliativverbandes NRW, stellte die Entwicklung dieser Bürgerbewegung und des ehrenamtlichen Hospizdienstes dar. „Hospitum“ bedeute eigentlich Herberge, Rasstätte am Weg. Doch das Hospiz für Sterbende sei vor allem durch eine Haltung charakterisiert, die nach Cicely Saunders ausdrückte: „Du bist wichtig, weil du du bist, und wir werden alles für dich tun, damit du nicht nur in Frieden sterben, sondern leben kannst bis zuletzt.“ Drolshagen gab einen Überblick über den ambulanten Hospiz- und Palliativpflegedienst, das stationäre Hospiz, die Palliativversorgung im Krankenhaus, die Qualifikation von Palliativmedizinern und die SAPV sowie die spezifischen Angebote für Kinder in Nordrhein-Westfalen.

Auch Dr. Birgit Weihrauch, Vorsitzende des Deutschen Hospiz- und Palliativverbands in Berlin, beschrieb die beeindruckend dynamische Entwicklung der deutschen Hospizbewegung seit Ende der achtziger Jahre, in der sich heute rund 80.000 Ehrenamtliche engagieren. Der Hospizbewegung gelang es in den vergangenen zwei Jahrzehnten nicht nur die rechtlichen Strukturen, sondern auch die Hilfen und Häuser zu schaffen, die eine menschenwürdige Versorgung schwerstkranker und sterbender Menschen ermöglichen. In Deutschland existieren inzwischen:

  • rund 1.500 ambulante Hospizdienste (einschl. 64 ambulanter Kinderhospizdienste),
  • 182 stationäre Hospize (einschl. acht stationärer Kinderhospize),
  • 190 Palliativstationen an Krankenhäusern,
  • fünf Lehrstühle für Palliativmedizin (Aachen, Bonn, Göttingen, Köln, München); ein Lehrstuhl für Kinder-Palliativmedizin (Witten-Herdecke); weitere Lehrstühle/Professuren in Kiel/Lübeck geplant,
  • Bundes-Hospiz-Akademie; Hospiz-Akademien in den Ländern und regional.

Deutschland befindet sich mit diesen Strukturen noch im europäischen Mittelfeld. Doch die „Vitalität“ seiner Palliativbewegung in Wissenschaft und Politik verschaffte Deutschland einen zweiten Platz im europäischen Vergleich von 27 Ländern. Die Hospizbewegung hat insbesondere in Nordrhein-Westfalen eine besondere Stärke entwickelt. Nach einem Bericht des EU-Parlaments aus dem Jahr 2008 ist NRW das deutsche Bundesland, in dem die palliative Versorgung am weitesten ausgebaut wurde. „Die Erfolge der Vergangenheit sind jedoch auch ein Grund zu fragen, wohin die Entwicklung in Zukunft geht“, stellte Weihrauch fest. „Schwerstkranke und sterbende Menschen brauchen weiter eine ganzheitliche Versorgung.“ Deshalb müsse sowohl eine Medikalisierung als auch eine Ökonomisierung des Sterbens verhindert werden. Schon jetzt sei eine zunehmende Entfremdung zwischen Medizin und Bürgerbewegung festzustellen.

Die spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV) habe sich zu einem „Motor im Gesundheitssystem“ entwickelt, bilanzierte die Vorsitzende des Deutschen Hospiz- und Palliativverbandes. Ziel sei es jetzt, diese ambulanten Angebote flächendeckend auszubauen. Das seien „außerordentlich anspruchsvolle Ziele“, da bisher erst 40 von 320 Verträgen über „Palliativ Care Teams“ (PTC) abgeschlossen seien. Für 250.000 Einwohner sei je ein PTC notwendig.

Bei diesem institutionellen Ausbau der Palliativversorgung dürfe jedoch nicht die grundsätzliche Orientierung der Hospizbewegung verloren gehen. „Sterben ist keine Krankheit“, betonte Weihrauch. Noch sei unklar, welche Rolle die Psychotherapeuten in der Palliativversorgung übernehmen könnten. Darauf müssten allerdings die Psychotherapeuten selbst zunächst eine Antwort geben. Sterben sei die äußerste Weise menschlichen Existierens. In ihr komme zum Ausdruck, was es heißt, ein Mensch zu sein. Aufgrund der „Nicht-Normalität“ der Situation ergäbe sich häufiger psychotherapeutischer Unterstützungsbedarf. Entscheidend sei allerdings, die letzte Lebensphase „nicht zu pathologisieren“. Deshalb sei es wichtig, die Schnittstellen zwischen psychosozialer Begleitung und Psychotherapie zu definieren.

Wünschenswert sei, dass sich auch Psychotherapeuten in der Palliativversorgung fortbilden. Allerdings habe sich in der Palliativversorgung schon eine „unübersichtliche Curriculum-Landschaft“ entwickelt. Deshalb sei es erforderlich, zukünftig die Angebote vergleichbar zu machen und Qualitätskriterien festzulegen. Psychotherapeuten sollten ihr Fortbildungscurriculum deshalb möglichst bundesweit entwickeln, empfahl Weihrauch.

Um die multiprofessionelle und interdisziplinäre Rollenverteilung zu klären, solle bis September 2010 eine „Charta zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen“ entwickelt werden. In einem Konsensprozess mit rund 50 Organisationen und 150 Experten solle damit der Dialog gefördert und sich auf gemeinsame Ziele und gemeinsames Handeln verständigt werden. Die Bundespsychotherapeutenkammer sei Mitglied des Runden Tisches, des Konsensgremiums im Chartaprozess.

Dr. Rolf Stecker beschrieb in seinem Vortrag die psychosoziale Betreuung von Krebspatienten am Klinikum Herford. Die Patienten seien meist in einem hohen Alter, litten an mehreren Krankheiten und hätten häufig eine begrenzte Lebensperspektive. Es herrsche ein Primat der somatischen Therapie, aber auch manche Patienten hätten nur eine begrenzte Motivation, psychologische Beratung und Psychotherapie in Anspruch zu nehmen. Dennoch führe die Krebserkrankung zu schweren Belastungen und Bedrohungen.

Pallium bedeutet ursprünglich „Mantel“. Palliativmedizin umhülle und schütze den Patienten. Die kurative Medizin ordne das Wohlbefinden des Patienten dem Ziel unter, die Krankheit zu heilen und nehme deshalb zum Teil erhebliche Nebenwirkungen in Kauf. Oberstes Ziel der Palliativversorgung sei es jedoch eine möglichst hohe Selbständigkeit und Lebenszufriedenheit des Patienten zu erhalten, wenn keine Heilung mehr möglich ist. Ein in der Palliativversorgung erfahrenes Team biete seine Kenntnisse in der Schmerztherapie, Symptomkontrolle, ganzheitlicher Pflege und psychosozialer Begleitung den Allgemeinstationen eines Krankenhauses an.

Stecker skizzierte die Dimension der Palliativversorgung in der Onkologie. Jährlich käme es in Deutschland zu 436.0000 neuen Krebserkrankungen. Bisher gelänge es, rund 40 Prozent der Patienten zu heilen. Rund 60 Prozent der Patienten (rund 260.000) benötigten eine Palliativversorgung. Bei fortgeschrittener Krebserkrankung käme es bei bis zu einem Drittel der Patienten zu Anpassungsstörungen oder einer Depression und bei sechs bis acht Prozent zu einer Angststörung. Angehörige litten insbesondere unter Panikstörungen und Depressionen.

Stecker beschrieb psychotherapeutische Methoden der Psychoonkologie. Mit emotionsorientierten Methoden unterstützten Psychotherapeuten ihre Patienten dabei, Angst, Verzweiflung, Wut, Ärger und Scham zu verarbeiten. Mit bindungstheoretischen Ansätzen förderten sie sichere Bindungsmuster und erhöhten damit die Wahrscheinlichkeit dafür, dass Belastungen besser bewältigt werden können. Posttraumatologische Ansätze seien vor allem deshalb relevant, weil die Krebsdiagnose ein klassisches belastendes Ereignis, also eine Situation mit einer außergewöhnlichen Bedrohung sei, die bei fast jedem tiefe Verzweiflung hervorrufen würde. Neben der Situation, in der dem Patienten die Krebsdiagnose mitgeteilt würde, hätten auch Operationen und Bestrahlungen potenziell traumatische Dimensionen und könne der Kontakt zu Ärzten zu massiven Angstzuständen führen.

Wichtigster Problembereich der psychoonkologischen Palliativtherapie sei die Angst: Angst vor physischem Leid und Schmerz, Angst vor Kontrollverlust, Angst vor Sterben und Tod und soziale Angst. Deshalb komme es auch zu der Bitte um Sterbehilfe. „Bei der Bitte um Sterbehilfe müsse der Therapeut sich allerdings fragen, was er falsch gemacht habe“, mahnte Stecker. Bessere Hilfe sei immer möglich. Psychotherapeuten sollten sich in der Palliativtherapie vor allem davon leiten lassen, eine tragende Beziehung zum Patienten zu gestalten, die von Offenheit und Authentizität geprägt sei und Begleitung statt Behandlung biete. Bei der Unterstützung der Angehörigen gehe es dagegen vor allem um Wiederherstellung des Selbstvertrauens und Handlungsfähigkeit. Die Angehörigen hätten insbesondere Angst, zu versagen oder nicht genügend Kraft zu haben, oder auch Angst vor dem Alleinbleiben. Auch Behandlungsteams unterlägen durch die ständige Konfrontation mit Tod und Sterben und der Endlichkeit des eigenen Lebens besonderen Belastungen, die es erforderlich mache, die eigenen Ressourcen richtig einzuschätzen und zu erhalten.

Stecker hob hervor, dass Palliativtherapie im Krankenhaus seit 2008 „viel, viel einfacher“ geworden sei. Palliativtherapie sei nicht zulassungspflichtig, jedes Krankenhaus könne sie auf die eigene Kappe nehmen und werde auch nicht draufzahlen. Ihre Finanzierung sei über den OPS-Schlüssel 8-982.x (palliativmedizinische Komplexbehandlung) möglich und mit einem Zusatzentgelt von 1.347,43 Euro verbunden.

Marion Grumbach-Wendt und Dr. Carola Hasan vom Vodafone Stiftungsinstitut für Kinderschmerztherapie und Pädiatrische Palliativmedizin in Datteln beschrieben die medizinische und psychotherapeutische Versorgung von todkranken Kindern, die längst nicht alle an Krebs erkrankt seien. Vielfach handelte es sich um Kinder, die an neurologisch-degenerativen Leiden erkrankt seien. Die kurative und palliative Behandlung seien dabei keine Phasen, die einander folgten, sondern Phasen, die sich erheblich überschnitten.

Viele Kinder könnten verbal nicht kommunizieren, weshalb es notwendig sei, nonverbale Konzepte der psychosozialen Begleitung zu nutzen. Der größte Wunsch eines kranken Kindes sei beispielsweise gewesen: „Ich will eine Aufgabe haben. Ich will etwas machen.“ Die Eltern überschätzten häufig ihre Ressourcen und überforderten sich in der Rund-um-die-Uhr-Betreuung ihres Kindes. Dabei seien sie z.B. von dem Gefühl beherrscht: „Es darf mir nicht gut gehen, wenn es meinem Kind so schlecht geht.“ Nicht immer seien sie für psychotherapeutische Unterstützung offen („Wir wissen, dass unser Kind schwer krank ist, aber deshalb sind wir noch lange nicht verrückt.“). Die Vermittlung von Patienten an niedergelassene Psychotherapeuten sei nicht immer einfach. Viele Praxen seien nur schwer telefonisch oder über Anrufbeantworter erreichbar. Einige niedergelassene Psychotherapeuten übernähmen keine Palliativtherapie, „weil ihnen dies zu schwierig sei“. Schließlich seien längst nicht alle Praxen rollstuhlgerecht.

Prof. Dr. Volker Tschuschke vom Universitätsklinikum Köln, gab einen Überblick über die palliativmedizinische Forschung. Eine Untersuchung von 83 deutschen Palliativstationen mit 773 Patienten (Radbruch et. al., 2004) stellte fest, dass bei der Aufnahme nur drei von hundert Patienten eine Psychotherapie verordnet bekommen. Dies verändert sich allerdings mit der Dauer der stationären Behandlung: Von den Patienten, die bis zum Tod betreut werden, wurden gegen Lebensende ein Viertel psychotherapeutisch betreut, von den Patienten, die vor dem Tode entlassen wurden, sogar ein Drittel. Fast alle Patienten seien Patienten mit Tumorerkrankungen. Auch wenn die Definition der Palliativmedizin Patienten mit unheilbaren internistischen oder neurologischen Erkrankungen einschließe, litten nur fünf von einhundert Patienten an anderen unheilbaren Erkrankungen.

Die Auseinandersetzung mit Sterben und Tod bedeute, dass Trauer und Trauerarbeit im Leben schwerkranker Patienten einen großen Raum einnehmen, konstatierte Tschuschke: Trauer beeinträchtige die Lebensqualität, führe zu Problemen in der Kommunikation und zu Symptomen, die evtl. falsch interpretiert und behandelt werden. Trauer setze aber auch Kräfte frei und habe eine extrem wichtige Bedeutung. Trauer werde dann ein psychisches Dauerproblem, wenn die Trauerreaktion vorzeitig abgebrochen werde oder nicht stattfinde. Es sei sinnvoll, Trauerarbeit therapeutisch zu unterstützen, erklärte Tschuschke.

Depressionen seien bei Patienten, die unter Schmerzen leiden, etwa doppelt so häufig anzutreffen wie bei Patienten ohne Schmerzen. Angst stehe meist im Zusammenhang mit den medizinischen Problemen. Direktes Ansprechen könne oft eine Verminderung der Angst bewirken. Beim Fortschreiten einer unheilbaren Krankheit nähmen kognitive Probleme zu. Bei Sterbenden kämen Verwirrtheit, Verständigungsprobleme, Bewusstseinsstörungen, Psychosen usw. sehr häufig vor.

Monika Müller, Leiterin der Hospizkoordinierungsstelle ALPHA-Rheinland in Bonn betonte, dass Trauer eine angeborene emotionale Fähigkeit sei, die als sehr schmerzhaft empfunden werde, als innerer und äußerer Realisierungsprozess verlaufe und durch den Verlust einer Person oder Sache, zu der eine sinnerfüllte Beziehung bestand, ausgelöst werde. Trauer dauere sehr unterschiedlich lange. Trauer höre nicht völlig auf, sondern verändere ihren Charakter.

Müller mahnte, Trauer nicht mit Depression zu verwechseln. Trauer sei die sinnvolle Reaktion auf den Verlust eines Menschen, der einem Nahe stand. Sie sei zeitlich begrenzt und weise differenziert empfundenen Kummer auf. Müller wies darauf hin, dass 60 Prozent aller Trauernden ohne Beratung oder Therapie zurechtkämen. Trauerberatung habe das Ziel, nach dem Verlust beizustehen und bei der Erledigung der Traueraufgaben zu helfen. Trauertherapie bestehe darin, ausbleibende, verzögerte, übertriebene, verlängerte oder aberkannte Trauer zu identifizieren und bei der Blockade behilflich zu sein. Zu den Traueraufgaben gehörten: Den Verlust als Realität sehen. Den Trauerschmerz zu erfahren. Sich der Welt, in der der Verstorbene fehlt, anzupassen und dem Verstorbenen einen anderen Platz zu geben und einen neuen Weltbezug herzustellen. 

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