ADHS-Kinder waren oft schwierige Babys Neue Forschungsergebnisse zu frühen Eltern-Kind-Störungen

Babys, die oft lange schreien, schlecht schlafen oder nicht richtig essen, entwickeln sich häufiger zu Schulkindern, die hyperaktiv oder aggressiv sind: Ihre Chance, Verhaltensauffälligkeiten zu entwickeln, ist 40 mal höher als bei Babys, die diese Probleme nicht aufweisen. Das zeigt eine neue Metaanalyse, die 22 internationale Untersuchungen mit insgesamt circa 15.000 Kindern auswertete und am 23. Oktober auf dem 6. Jahreskongress Psychotherapie in Bochum vorgestellt wurde. „Wie Eltern in den ersten Monaten auf schwierige Säuglinge reagieren, hat nachweislich langfristige Auswirkungen auf ihre psychische Entwicklung“, stellt Prof. Dr. Silvia Schneider von der Ruhr-Universität Bochum fest. „Gefährdet sind vor allem Kinder, die ständig mehr als drei Stunden täglich schreien.“

Exzessives Schreien überfordert selbst nervenstarke Eltern. Zehn bis 20 Prozent der Eltern berichten über belastende Schreiprobleme in den ersten Lebensmonaten ihrer Babys. Bei zwei bis vier Prozent aller Säuglinge treten sowohl Schrei-, Schlaf- als auch Fütterungsprobleme auf. Forscher sprechen dann von einer „Regulationsstörung“, eine außergewöhnliche Schwierigkeit des Kindes, sein Verhalten angemessen zu steuern. Diese Säuglinge reagieren besonders schnell und heftig auf Reize und können sich nur langsamer als andere Kinder in ihrem Alter wieder beruhigen. Dabei erleben fast alle Eltern Momente großer Erregung und Frustration, wenn ihr Kind z.B. in der Nacht ständig und lange schreit. Aber auch ein normaler Säugling schreit bis zur sechsten Woche 1,5 bis 2,5 Stunden pro Tag. Experten sprechen erst von „exzessivem Schreien“, wenn ein Säugling mehr als drei Stunden an mehr als drei Tagen je Woche über einen Zeitraum von drei Wochen nörgelt und brüllt („Dreier Regel“).

Exzessives Schreien hat alleine keine nachteiligen Folgen für das Kind. „Eltern reagieren auf solche Kinder jedoch verständlicherweise häufig überfordert und hilflos“, erläutert die Klinische Kinder- und Jugendpsychologin Silvia Schneider. Übermäßiges Schreien führt deshalb zu erheblichen Belastungen und Störungen der frühen Eltern-Kind-Beziehung und später zu psychischen Erkrankungen der Kinder. Säuglinge, die unter Regulationsstörungen leiden, sind als Schulkinder häufiger hyperaktiv oder aggressiv. Die Frustration der Eltern ist aber auch der häufigste Grund für ein gewaltsames Schütteln der Kinder. Kinder erleiden durch heftiges Schütteln oft bleibende neurologische und Lernprobleme. „Erschöpften Müttern und Vätern kann wirksam geholfen werden“, sagt Schneider. Schreibabys brüllen vor allem deshalb mehr als normale Säuglinge, weil sie aufgrund ihres Temperaments einfacher zu erregen und schwerer zu beruhigen seien. Eltern können ihren Babys jedoch entscheidend dabei helfen, ruhiger zu reagieren und sich selbst besser zu regulieren. Eltern unterlägen oft der Illusion, das Verhalten ihres Kindes kontrollieren zu können. „Eltern müssen bei Schreibabys lernen, ihren Einfluss realistisch einzuschätzen und ihr Erziehungsverhalten zu ändern.“

Tipps für schwierige Säuglinge

Eltern mit Babys, die viel schreien, schlecht schlafen und nicht richtig essen, können ihren Kindern helfen, sich selbst besser zu regulieren:

  • Babys, die ihr Verhalten selbst schlecht kontrollieren können, brauchen einen besonders regelmäßigen Tagesablauf. Es sollten feste Zeiten fürs Füttern, Schlafen, Spielen und Spazierengehen eingeführt werden.
  • Babys, die viel schreien, werden oft zu viel Getragen und in den Armen hin- und herbewegt oder mit Rasseln abgelenkt. Das Kind kommt dadurch aber häufig nicht mehr zur Ruhe und reagiert zunehmend gereizter und übermüdet.
  • Eltern sollten darauf achten, weiterhin auch positiv auf das Kind zu reagieren. Wenn das Kind etwas möchte, sollten Eltern grundsätzlich aufmerksam sein und sich ganz dem Säugling widmen.
  • Bei Hunger oder Schmerzen sollten Eltern unmittelbar reagieren. Sie sollten jedoch ansonsten nicht sofort auf jeden Muckser reagieren. Es kann hin und wieder angemessen sein, ein bis zwei Minuten zu warten, um zu sehen, ob sich das Kind alleine beruhigen kann.
  • Tag und Nacht sollten sich für das Baby klar unterscheiden: z.B. nachts nur füttern, wickeln und zudecken, aber nicht spielen und reden.
  • Ein Säugling muss erst langsam lernen durchzuschlafen. Das Kind sollte deshalb nicht durch Tricks zum Schlafen gebracht werden, z.B. durch nächtliche Autofahrten. Stimulierende Spiele sollten eine Stunde vor dem Schlafen unterbleiben. Dagegen sollte ein Baby sich sicher sein, dass die Eltern in der Nähe sind („Mama und Papa sind da, Du brauchst dir keine Sorgen zu machen.“) Die längste Schlafperiode entwickelt sich zwischen 24 und 5 Uhr. Der Säugling kann zwischen 23 und 24 Uhr geweckt und gefüttert werden, damit er danach länger durchschläft.
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