„Die praktische Tätigkeit zwischen Ideal und Wirklichkeit“ - Ausbildungsinstitute und PTK-NRW diskutierten

Rund 70 Teilnehmer diskutierten am 11.11. in Düsseldorf Leitlinien und arbeitsrechtliche Fragen für eine bessere inhaltliche Ausgestaltung der praktischen Tätigkeit während der Psychotherapeutenausbildung. Die Veranstaltung war die zweite Tagung, zu der der Zweckverband der Ausbildungsinstitute und die Psychotherapeutenkammer NRW eingeladen hatten. Auf der ersten Tagung im vergangenen Jahr war es vor allem um die Vergütung der praktischen Tätigkeit gegangen.

„Es geht um gute Bedingungen für eine hochstehende Berufsausbildung. Der Vorstand der PTK-NRW trägt gerne dazu bei, den angemessenen Rahmen für eine offene Diskussion und Beratung zu schaffen“, sagte Präsidentin Monika Konitzer in ihrem Grußwort. „Die Kammer hört Ihnen mit Interesse zu und wünscht Ihnen eine gute Veranstaltung.“

Dr. Jürgen Tripp stellte in seinem einführenden Vortrag „Leitlinien für die Gestaltung der praktischen Tätigkeit“ vor. Dabei gehe es um Empfehlungen zur Gestaltung der praktischen Tätigkeit und zwar so, dass die gesetzlichen Anforderungen erfüllt seien, fachliche Qualitätsstandards eingehalten würden und die angehenden Psychotherapeuten in Ausbildung (PiA) ohne existenzielle finanzielle Nöte und Sorgen diese Zeit ihrer Ausbildung absolvieren können. Er betonte, dass das Papier, dass er zusammen mit Dr. Walter Ströhm entworfen habe, nicht als festgezurrte Position zu verstehen sei, sondern als Ausgangspunkt für die Frage diene, was bei der Ausgestaltung der praktischen Tätigkeit vor Ort gehe und was nicht.

Nach dem Psychotherapeutengesetz sollen die PiA während ihrer praktischen Tätigkeit insbesondere praktische Erfahrung in der Behandlung von psychischen Störungen mit Krankheitswert sammeln, so Tripp. Dabei stünden sie unter fachkundiger Anleitung und Aufsicht. Die entscheidende Frage sei, was die Gesetzesformulierung „Beteiligung an der Behandlung“ bedeute. In welchem Umfang dürften sie ohne eine Approbation in der direkten Patientenbehandlung tätig werden? Das Psychotherapeutengesetz könne durchaus so interpretiert werden, dass die PiA eine aktive Rolle in der Patientenbehandlung übernehmen könnten. Wichtig sei, dass die Behandlungstätigkeit nie selbständig erfolge, sondern immer unter Anleitung und Aufsicht. Die Behandlungsverantwortung trüge immer ein Facharzt oder ein approbierter Psychotherapeut.
Tripp stellte eine Liste der Tätigkeiten vor, die nach einer Stellungnahme der Psychotherapeutenkammer Bremen dem Approbationsvorbehalt unterliegen, und eine Liste mit Tätigkeiten ohne Approbationsvorbehalt. Es bestünde auch die Möglichkeit, dass einzelne Tätigkeiten mit Approbationsvorbehalt dann delegierbar seien, wenn die gesetzlich vorgeschriebene Anleitung und Aufsicht gegeben sei. Bei dieser Aufgabenübertragung müsse die objektive Gefährlichkeit der Aufgaben bewertet und die subjektive Fähigkeit des Delegationsempfängers sicher gestellt sein.

Tripp ging dann auf zwei Gerichtsurteile ein, die PiA für ihre praktische Tätigkeit eine Vergütung zugesprochen hätten (Arbeitsgericht Hamburg vom 29.11.2012, LAG Hamm vom 16.10.2012). Danach sei die vertragliche Bezeichnung für die rechtliche Bewertung der Tätigkeiten, die eine PiA übernehme, irrelevant. Vielmehr ginge es den Gerichten darum zu klären, ob bei der praktischen Tätigkeit der Ausbildungscharakter überwiege, der keine Vergütung begründe, oder es sich um ein Arbeitsverhältnis handele, bei dem Aufgaben übernommen würden, wie sie auch fest angestellte Arbeitskräfte übernähmen. Dann bestünde ein Vergütungsanspruch. Typisch für ein Arbeitsverhältnis sei, dass der Arbeitnehmer in den Betriebsablauf eingebunden sei und er weisungsgebunden tätig würde.

Abschließend stellte Tripp noch einen Lernzielkatalog vor, der konkretisierte, was ein PiA während der praktischen Tätigkeit an Kenntnissen und Erfahrungen sammeln solle. Daraus leitete er Maßnahmen zur Qualitätssicherung ab, damit die Tätigkeiten der PiA immer den Anforderungen an Anleitung und Aufsicht genügten. Diese Maßnahmen erforderten durchaus Ressourcen der Klinik, insbesondere zeitliche Kapazitäten für die Anleitung der PiA. Allerdings erscheine es ihm so möglich, dass PiA in erheblichem Umfang qualifizierte Aufgaben und vergütungsrelevante Leistungen in den Kliniken übernehmen.

Dr. Thomas Bohle, Fachanwalt mit Tätigkeitsschwerpunkt Krankenhausrecht, erläuterte die rechtlichen Grundlagen der gerichtlichen Auseinandersetzung um die praktische Tätigkeit und ihre Vergütung. Er wies darauf hin, dass die Gerichte nicht danach urteilten, wie ein Praktikumsvertrag überschrieben sei, sondern ob der Ausbildungs- oder Arbeitscharakter der Tätigkeit überwiege. Wenn nichts anderes geregelt sei, gelte für einen Arbeitsvertrag die übliche Vergütung. Er empfehle aber nicht auf die Gerichte zu warten, weil selbst das Bundesarbeitsgericht nur über Einzelfälle entscheide. Stattdessen solle auf der Basis der vorgestellten Leitlinien mit den Krankenhäusern eine Zertifizierung für die praktische Tätigkeit angestrebt werden. Analog zu seinen Erfahrungen mit Referendaren in seiner Kanzlei schlug er eine zeitliche Modularsierung der Praktischen Tätigkeit vor, etwa mit den Abschnitten „Hospitieren, Qualifizieren, Therapieren“, dann könne über den gesamten Zeitraum eine angemessene Vergütung ausgehandelt werden.

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