Digitale-Versorgung-Gesetz: Wirksamkeit nachweisen, Verordnungspflicht regeln

Am 16. Oktober 2019 fand die öffentliche Anhörung des Entwurfs für das Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestags statt. Die geladenen Gesundheitsexpertinnen und Gesundheitsexperten befürworteten den Entwurf der Bundesregierung in der Zielrichtung. Das Gesetz könne den Weg ebnen, digitale Anwendungen in die Versorgung zu bringen. Es wurde von den Sachverständigen aber auch Kritik angebracht und im Detail erheblicher Nachbesserungsbedarf erkannt.

Gesundheits-Apps auf Rezept

Die Pläne für das „Gesetz für eine bessere Versorgung durch Digitalisierung und Innovation“ sehen unter anderem vor, dass sich Patientinnen und Patienten künftig bestimmte Gesundheits-Apps auf Rezept verschreiben lassen können. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte soll die infrage kommenden Apps auf Datensicherheit und Funktionalität überprüfen, die Gesetzliche Krankenversicherung vorläufig ein Jahr lang die Kosten für die digitalen Gesundheitsanwendungen tragen. In diesem Zeitraum muss der App-Hersteller nachweisen, dass sein Produkt „positive Versorgungseffekte“ mit sich bringt.

Weiterhin soll das DVG die Nutzung von telemedizinischen Angeboten wie Videosprechstunden erleichtern und den Ausbau der Telematikinfrastruktur vorantreiben. Ebenso ist vorgesehen, dass die Krankenkassen ihren Versicherten ab 2021 eine elektronische Patientenakte (ePA) zur Verfügung stellen. Die dafür notwendigen Regelungen sollen zeitnah in einem gesonderten Gesetz festlegt werden.

Kritikpunkte am Gesetzentwurf

Die in der Anhörung wie auch im Zuge der vorherigen parlamentarischen Beratungen vorgebrachten Kritikpunkte am Gesetzentwurf der Bundesregierung beziehen sich unter anderem auf die fehlende Einbindung von Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten und Ärztinnen und Ärzten bei der Entwicklung digitaler Gesundheitsanwendungen. Krankenkassen dürften ihren Versicherten nicht wie vorgesehen Gesundheits-Apps empfehlen können. Auch das Vorhaben, die Überprüfung der Gesundheits-Apps dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte zu übertragen, steht in der Kritik. Nicht zuletzt würde mit einer solchen Regelung die gemeinsame Selbstverwaltung übergangen.

Wirksames Engagement der Profession

Die Psychotherapeutenkammer NRW (PTK NRW) begleitet den parlamentarischen Beratungsprozess zum DGV aktiv. Bereits im August 2019 hatte die Kammer in Vorbereitung auf die Stellungnahme des Bundesrates zum geplanten Gesetz die Position der Psychotherapeutenschaft NRW auf Ministeriumsebene eingebracht. Darin erläuterte die Kammer unter anderem ihre Forderung nach Wirksamkeitsnachweisen für digitale Anwendungen, wendete sich dagegen, dass digitale Behandlungsangebote ohne vorherige Diagnostik und Indikationsstellung durch die Krankenkassen genehmigt werden sollen und wies auf die Notwendigkeit eindeutiger gesetzlicher Regelungen zum Schutz sensibler Gesundheitsdaten hin.

Insgesamt konnte das Engagement der Kammern auf Landesebene mit dazu beitragen, dass die Fachausschüsse des Bundesrates in ihren Empfehlungen für die Stellungnahme des Bundesrates viele Anliegen der Profession aufgriffen. In seiner Stellungnahme vom 20. September 2019 stellt der Bundesrat beispielsweise als problematisch fest, dass der Anspruch auf Versorgung mit einer Gesundheits-App ohne vorherige Verordnung allein durch die Genehmigung der Krankenkasse gegeben sein soll. Zudem empfiehlt der Bundesrat, mit dem DVG zu regeln, dass auch Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten digitale Gesundheitsanwendungen verschreiben können.

Gesundheits-Apps bei psychischen Erkrankungen

Die PTK NRW wird sich weiterhin für ein DVG starkmachen, mit dem sich digitale Neuerungen in der Versorgung nutzen lassen, ohne Patientinnen und Patienten zu schaden. „Wir fordern dafür nach wie vor, dass Gesundheits-Apps nur dann für die Behandlung von psychischen Erkrankungen genutzt werden, wenn ihre Wirksamkeit unabhängig geprüft und nachgewiesen wurde“, betont Gerd Höhner, Präsident der PTK NRW. „Eine App, die nicht wirkt, kann gerade psychisch kranken Menschen letztlich nur schaden. Beispielsweise kann die Patientin oder der Patient den Eindruck gewinnen, gegen depressive Stimmungen nicht ankommen zu können. Der mit dem aktuellen DVG-Entwurf weiterhin vorgesehene alleinige Nachweis eines ‚positiven Versorgungseffekts‘ durch die App-Hersteller ist für die sichere Anwendung der Produkte bei Weitem nicht ausreichend, zumal man nicht weiß, was mit einem ‚positiven Versorgungseffekt‘ eigentlich gemeint ist.“ Für die Nutzung digitaler Anwendungen im Zusammenhang mit psychotherapeutischen Angeboten sei zudem unverzichtbar, dass Diagnostik und Indikationsstellung im direkten Kontakt zwischen Patientin oder Patient und Psychotherapeutin oder Psychotherapeut erfolgen, erklärt Gerd Höhner. „Gesundheits-Apps bei psychischen Erkrankungen sollten deshalb immer von Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten verschrieben werden.“

Für den 7./8. November 2019 ist die 2./3. Lesung des Gesetzentwurfs im Bundestag geplant.

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