Großer Ratschlag zur Psychotherapeutenaus- und -weiterbildung im Gesetzesentwurf des Bundesgesundheitsministeriums

Der Vorstand der Psychotherapeutenkammer NRW (PTK NRW) hatte die Mitglieder der Kammerversammlung für den 12. März 2019 nach Düsseldorf eingeladen, um gemeinsam in einem „Großen Ratschlag“ den Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Psychotherapeutenausbildung aus dem Bundesgesundheitsministerium zu diskutieren. „Mit dem Kabinettsentwurf beginnen die parlamentarischen Beratungen, das von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn angekündigte Ziel ist die Beschlussfassung bis zur Sommerpause“, erläuterte  Kammerpräsident Gerd Höhner in seiner Begrüßung der rund 40 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. „Am 12. April soll das zustimmungspflichtige Gesetz im Bundesrat beraten werden, die Termine für die vorbereitenden Sitzungen in den Ausschüssen stehen fest. Der Gesetzgeber legt damit ein zügiges Tempo für die angestrebte Reform vor. Entsprechend müssen wir aktiv werden, insbesondere im Bereich Weiterbildung.“

Positiv zu wertende Regelungen

Eine Zusammenfassung der Regelungen zur Psychotherapeutenaus- und -weiterbildung im Kabinettsentwurf gab Prof. Dr. Martin H. Stellpflug. Ein erster Vergleich mit dem Referentenentwurf möge ernüchternd wirken, da viele Regelungen wieder zurückgenommen wurden, so der Justiziar der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK). Vieles sei jedoch im Detail zu prüfen. Angesichts des Umfangs der gestellten Forderungen und wie viel davon letztlich umgesetzt worden sei, lese sich der Kabinettsentwurf aus seiner Sicht insgesamt als ein großer Erfolg für den Berufsstand.

Zu den positiv zu wertenden Regelungen gehöre, dass die beiden Berufe „Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut/in“ und „Psychologische/r Psychotherapeut/in“ mit der Reform zu einem Beruf „Psychotherapeutin/Psychotherapeut“ weiterentwickelt würden. Sehr gut bringe der Kabinettsentwurf auch die Breite der Ausbildungsziele zum Ausdruck. Weitere begrüßenswerte Regelungen seien die Sicherung bundeseinheitlicher Qualifikationsstandards auf Masterniveau mit einer staatlichen psychotherapeutischen Prüfung sowie die Berücksichtigung der ambulanten und stationären Weiterbildung als eine erste, wenngleich weiter zu verbessernde Grundlage, um die prekäre Situation der Ausbildungsteilnehmenden zu beenden. Ebenso seien Regelungen wie der Bestandschutz für ermächtigte Institutsambulanzen und für ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis von Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten in Weiterbildung erfreuliche Ergebnisse.

Änderungs- und Ergänzungsbedarf

Prof. Dr. Stellpflug verdeutlichte auf der anderen Seite Änderungs- und Ergänzungsbedarf, insbesondere hinsichtlich Legaldefinition und Heilkundeerlaubnis, der zusätzlichen finanziellen Förderung in der ambulanten Weiterbildung und einer Entlastung von Ausbildungsteilnehmenden in der Übergangsphase. An den Regelungen zur Berufsausübung kritisierte er, dass mit der aktuell gewählten Formulierung die Heilkundeerlaubnis im Widerspruch zu einer sich wissenschaftlich weiterentwickelnden psychotherapeutischen Heilkunde stehe. Mit Blick auf den Finanzierungsbedarf in der Weiterbildung hielt der Justiziar der BPtK fest, dass eine Förderung für die aus fachlicher Sicht notwendigen Weiterbildungsanteile Supervision, Selbsterfahrung und Theorie sowie für die Beschäftigung der Weiterbildungsteilnehmenden geschaffen werde müsse. Ebenso müsse man Zwischenlösungen finden, mit denen sich die Situation der Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten verbessern ließe, die noch nach den bisherigen Strukturen ausgebildet werden. Weiteren Änderungsbedarf gäbe es aus seiner Sicht bei der Besetzung des Wissenschaftlichen Beirates Psychotherapie, der Hochschulstruktur sowie Dauer und Inhalten des Studiums.

Berufspolitische Arbeit zeigt Erfolg

Insgesamt liege mit dem Gesetzesentwurf eine gute Grundlage für die Reform der Psychotherapeutenausbildung vor, bilanzierte Prof. Dr. Stellpflug. Die Reform passe die Aus- und Weiterbildung des Berufsstandes an die vorhandenen Veränderungen in der Versorgung an und setze auf die bewährten Strukturen bei anderen akademischen Heilberufen auf. Man habe lange gerungen, um gemeinsame Konzepte zu entwickeln, betonte er. Der Kabinettsentwurf würde sehr vieles davon aufgreifen. In der Diskussion wurde unter anderem die Stellung von Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten in der neuen Systematik angesprochen, der Frage nachgegangen, was die Situation der jetzigen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten in Ausbildung verbessern könne und beleuchtet, welche Aspekte bei der Ausgestaltung der Approbationsordnung sowie der Gestaltung der Weiterbildung durch die Kammer von Bedeutung sind.

Positionierung des Kammerausschusses

Dr. Jürgen Tripp, Vorsitzender des Ausschusses „Reform der Psychotherapeutenausbildung / Zukunft des Berufes“ der PTK NRW, informierte anschließend über die Positionierung des Ausschusses zum Kabinettsentwurf für ein Gesetz zur Reform der Psychotherapeutenausbildung. In den Mittelpunkt seiner Ausführungen stellte er Überlegungen zur Konzeption des Studiums und Aspekte der Weiterbildung. Hinsichtlich der Ausgestaltung des Studiums sehe man im Ausschuss einige Widersprüche zwischen Anforderungen und Erwartungen, erläuterte Dr. Tripp. So sei die Forderung nach ausreichendem  Praxisbezug einerseits bei gleichzeitiger wissenschaftlicher Qualifizierung andererseits bisher nicht gelöst. Im Gesetzesentwurf finde sich hierzu ein Kompromiss, der manch einem noch zu sehr die Wissenschaftsseite betone. Nicht leicht zu lösen sei der Zielkonflikt, ein stringent auf die Approbation hinführendes Studium zu konzipieren, das gleichzeitig Durchlässigkeit und Wechselmöglichkeiten biete.

Diskutiert habe man im Ausschuss darüber hinaus Verfahrensvielfalt im Studium versus Umsetzbarkeit, Ansprüche an das Studium versus Studierbarkeit und die Rolle von Fachhochschulen in der neuen Systematik. Einig seien sich die Ausschussmitglieder, dass ein guter Praxisbezug anzustreben sei und ein Praxissemester nach dem Studium dies bieten könne. Mögliche Gegenargumente sähe man abgesehen von der Blockadehaltung der Kultusministerien bei der Frage nach fachlich kompetenter Betreuung im Praktikum. Ausbildungsteilnehmende würden zudem eine erneute finanzielle Durststrecke befürchten, berichtete der Referent. Für die Zulassung zum Studium favorisiere der Ausschuss, dass Alternativen und Ergänzungen zur reinen Auswahl über Numerus Clausus gefunden würden; mit Blick auf die Prüfungen werde ein kompetenzorientiertes Format bevorzugt, wobei hierfür eine praktikable Umsetzung zu finden sei.

 

Förderung der ambulanten Weiterbildung

Die für die Weiterbildung getroffenen Regelungen im Kabinettsentwurf begrüße man sehr, eine finanzielle Förderung der ambulanten Weiterbildung halte man für notwendig, führte Dr. Tripp weiter aus. Kritisch sähe man im Ausschuss, wie die Förderung verteilt und den Weiterbildungsinstituten eine wirtschaftliche Planbarkeit ermöglicht werden könne. Zentrale Fragestellungen für die Kammer seien die Dauer der Weiterbildung und die zu erbringenden Weiterbildungsleistungen. Ebenso müsse die Kammer Kriterien für die Weiterbildungsermächtigung, zur Zulassung von Weiterbildungsstätten und zur Koordination der Weiterbildung entwickeln. Darüber hinaus sei zu klären, ob der Altersschwerpunkt oder das Verfahren als Gebiet definiert werden soll. Dies sei eng mit Fragen wie dem „Fortbestehen“ des Berufes „Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut/in“ als Weiterbildungsbezeichnung verknüpft. Wesentlich sei, dass bei der Definition von Gebieten der Gesetzgeber nicht den Weiterbildungsregelungen der Kammern vorgreife. Abschließend fasste Dr. Jürgen Tripp zusammen, dass der Ausschuss der Kammer den Gesetzesentwurf für eine Reform der Psychotherapeutenausbildung überwiegend positiv bewerte. Skepsis bestünde jedoch hinsichtlich Studierbarkeit und Praxisbezug im Studium, Verfahrensbezug und Verfahrensvielfalt sowie der Finanzierung der Weiterbildung.

„Wir brauchen einen Transitionsprozess“

In der nachfolgenden Diskussion wurden insbesondere die Finanzierung und die Förderung der Weiterbildung und Überlegungen zu notwendigen Kapazitäten thematisiert. Kammerpräsident Gerd Höhner betonte in seinem Schlusswort, dass der Berufsstand nun in einen Transitionsprozess kommen müsse. „Ich freue mich daher über unsere angeregte Diskussion. Wir brauchen diesen Schwung, denn die kommende Arbeit wird zäh werden. Doch so wie der Gesetzgeber die Reform vorantreibt, werden wir das Unsrige tun, damit der Prozess Transition in Fahrt kommt.“

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