Information und Austausch auf der Regionalversammlung im Regierungsbezirk Detmold am 18. Oktober 2023

Welche Fragen beschäftigen die Kammermitglieder im Berufsalltag, welche Anliegen haben sie an die Kammer? Mit welchen Themen ist der Vorstand der Psychotherapeutenkammer Nordrhein-Westfalen befasst und wie positioniert er sich zu aktuellen Entwicklungen im Gesundheitswesen? Mit Regionalversammlungen reihum in den Regierungsbezirken eröffnet der Kammervorstand ein Forum, sich darüber auszutauschen. Vizepräsident Andreas Pichler und Vorstandsmitglied Hermann Schürmann informierten die Kammerangehörigen auf der Regionalversammlung für den Regierungsbezirk Detmold am 18. Oktober 2023 insbesondere zu Aspekten der Versorgungsplanung, der Umsetzung der Weiterbildungsordnung für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten der Psychotherapeutenkammer Nordrhein-Westfalen und für den Berufsstand relevante Entwicklungen bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen. Rund 45 Kammermitglieder hatten sich zu der Veranstaltung in Bielefeld angemeldet. Andreas Pichler begrüßte sie stellvertretend für den Kammerpräsidenten Gerd Höhner und stellte sich, seinen Vorstandskollegen und das Team der Geschäftsstelle vor. Seine Einladung, sich mit Wortmeldungen zu den vorgetragenen Schwerpunktthemen einzubringen, nahmen die Teilnehmenden rege an.

Mitwirkung in kommunalen Gesundheitskonferenzen

Andreas Pichler motivierte die Kammermitglieder zunächst, in den kommunalen Gesundheitskonferenzen in Nordrhein-Westfalen mitzuwirken. Der Bereich Psychotherapie sei in diesen Gremien oft nicht durch eine Vertretung aus dem Berufsstand selbst besetzt. Die Berufsgruppe habe jedoch mittlerweile einen beachtlichen Stellenwert im Versorgungssystem erlangt. Aus Vorstandssicht sei es daher wünschenswert, dass sich Vertreterinnen und Vertreter aus den eigenen Reihen an den Konferenzen beteiligen. Dies eröffne ihnen die Möglichkeit, das Versorgungsgeschehen vor Ort zu verfolgen, die Interessen und die Kompetenzen des Berufsstandes einzubringen und Kooperationen zu festigen. Der Vorstand unterstütze ein Engagement in diesen Gremien aktiv, unterstrich Andreas Pichler. Mitglieder mit Interesse an einer Mitarbeit in den kommunalen Gesundheitskonferenzen [PDF, 177 KB] können sich per E-Mail in der Geschäftsstelle der Kammer melden.

Position zur psychotherapeutischen Versorgungsplanung

In seinen Erläuterungen zu der Position des Vorstandes zur psychotherapeutischen Versorgungsplanung [interner Link] in Nordrhein-Westfalen betonte Andreas Pichler, dass sich die Kammer verpflichtet sehe, immer wieder auf die Defizite in der Versorgung aufmerksam zu machen. Nach wie vor müssten Patientinnen und Patienten oft und in manchen Regionen unzumutbar lange auf eine Psychotherapie warten. Man sei hier mit den bislang nicht korrigierten Berechnungsfehlern der Bedarfsplanung von 1999 konfrontiert. Gleichzeitig würden die Praxen einen hohen Nachfragedruck erleben, gerade auch in einer von Krisen geprägten Zeit. In der Landespolitik stoße der Vorstand hierzu mittlerweile auf offene Ohren, sagte Andreas Pichler. Allen sei klar: Die Versorgungsplanung ist renovierungsbedürftig. Ihr Mahnen verbinde die Kammer damit, aus Sicht der Profession sinnvolle Lösungen aufzuzeigen. Beispielsweise müssten mehr Kassensitze geschaffen werden. Es gelte aber auch, die Kapazitäten bestehender Praxen auszubauen, etwa durch Erleichterungen beim Jobsharing und für Anstellungsverhältnisse. Die Kammer habe zusätzlich als Reaktion auf Krisen wie die Corona-Pandemie und das Hochwasser in Teilen Nordrhein-Westfalens im Jahr 2021 auf Entlastung hingewirkt. Als ein erfolgreiches Beispiel stellte der Vizepräsident die präventiven Gruppenangebote für durch die Corona-Situation belastete Kinder und Jugendliche vor. Diese Gruppen seien zunächst im Bereich der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein eingerichtet worden. Etwas später seien sie auch in Westfalen-Lippe angelaufen. Es sei eine anerkennenswerte Leistung der beteiligten Kolleginnen und Kollegen, dass dieses Angebot realisiert werden konnte. Auch das Land würde der Profession ihren Einsatz hoch anrechnen.

Falschaussagen sachlich entkräften

Mitunter verspüre die Profession aber auch starken Gegenwind, hielt Andreas Pichler fest. Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten würden nur die „leichten Fälle“ behandeln und seien schlecht erreichbar, seien einige der verbreiteten Vorurteile. Der Kammervorstand trete solchen „bewusst provozierten Missverständnissen“ vehement entgegen. Auch in seiner Stellungnahme zu den Forderungen der Ersatzkassen zur Verbesserung der psychotherapeutischen Versorgung [PDF, 528 KB] stelle er sachlich klar, dass die von den Ersatzkassen vorgebrachten Vorschläge mitunter schlichtweg falsch seien. Beispielsweise ließen sich die Behandlungskapazitäten nicht mit Videotherapien ausweiten. Behandlungen per Video seien ebenso zeitgebunden wie Psychotherapien von Angesicht zu Angesicht.

In der anschließenden Frage- und Diskussionsrunde gingen Kammermitglieder auf weitere Aspekte der Versorgungsplanung ein. Dabei wurden unter anderem die Versorgung von Menschen mit komplexem Behandlungsbedarf und die Verfahrensvielfalt in Ausbildung und Praxis thematisiert. Ebenfalls wurde darauf hingewiesen, dass man sich damit befassen müsse, wie der ländliche Raum für den Berufsstand attraktiver werden könnte.

Umsetzung der Weiterbildung

Hermann Schürmann erläuterte die Inhalte und den Aufbau der Weiterbildungsordnung für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten der Psychotherapeutenkammer Nordrhein-Westfalen [PDF, 806 KB]. Er motivierte die Kammermitglieder ausdrücklich, sich in der Weiterbildung zu engagieren, um sie mit Leben zu füllen und in die Zukunft zu tragen. Dies ginge als Weiterbildungsbefugte und als Leiterin bzw. Leiter einer Weiterbildungsstätte. Darüber hinaus sei es möglich, von Weiterbildungsbefugten für Theorievermittlung, Supervision und Selbsterfahrung hinzugezogen zu werden, ohne selbst weiterbildungsbefugt zu sein. Auf der Kammerhomepage könnten weitere Informationen zur Weiterbildungsordnung und die Antragsunterlagen [interner Link] abgerufen werden. Hermann Schürmann machte in seinen Ausführungen auch deutlich, dass die Finanzierung der Weiterbildung in der politischen Diskussion nach wie vor ein schwieriges Thema sei. Insbesondere bei der ambulanten Weiterbildung bestünde derzeit eine Deckungslücke. Einzelne Bundestagsabgeordnete würden durchaus einsehen, dass zusätzliche Gelder notwendig sind. Dennoch erwarte man hierzu ein zähes Ringen.

In der Diskussion wurde neben organisatorischen und inhaltlichen Fragen insbesondere die Finanzierung der Weiterbildung thematisiert. Mehrere Teilnehmende bekundeten für ihre Praxis oder Einrichtung Interesse, Weiterbildungsstätte zu werden. Die Unsicherheit bezüglich der Finanzierung wirke jedoch bremsend. Hermann Schürmann wies darauf hin, dass im stationären Bereich die PPP-Richtlinie (Richtlinie über die Ausstattung der stationären Einrichtungen der Psychiatrie und Psychosomatik mit dem für die Behandlung erforderlichen therapeutischen Personal) durchaus Spielräume biete. Man müsse sich konstruktiv damit auseinandersetzen, wie sie auf der praktischen Ebene ausgelotet werden könnten. Letztlich seien die Kliniken mit dem Krankenhausgestaltungsgesetz dazu verpflichtet, Weiterbildungsmöglichkeiten für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten vorzuhalten. Zur Finanzierung der Weiterbildung im ambulanten Bereich empfange man von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) derzeit Signale, dass es eine Förderung geben könnte. Andreas Pichler ergänzte, die Weiterbildung sei für alle Neuland und ein lernendes System. Die Profession sei sehr aktiv, um die benötigten Rahmenbedingungen herzustellen. Auch die Politik müsse sich endlich bewegen. Die ersten Weiterbildungsstellen würden schon bald benötigt.

Digitalisierung in der Psychotherapie

Andreas Pichler erläuterte im dritten Schwerpunkt die Positionierung der Profession zu drei aktuellen Gesetzesinitiativen auf Bundesebene. Mit dem Entwurf des Gesetzes zur Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens (Digital-Gesetz – DigiG) wolle die Regierung insbesondere die elektronische Patientenakte (ePA) vorantreiben. Behandelnde müssten sich allerdings in Abstimmung mit ihren Patientinnen und Patienten bei entsprechenden therapeutischen Gründen gegen die Befüllung der ePA entscheiden können. Der Vorstand der Kammer setze sich für entsprechende Weichenstellungen ein. Des Weiteren soll mit dem Gesetz der Stellenwert Digitaler Gesundheitsanwendungen (DiGA) in der Versorgung festgelegt werden, informierte der Vizepräsident. Als Berufsstand sehe man aber eine Reihe von kritischen Punkten bei Nutzung von DiGA. Zudem müsse ihr Einsatz in den Händen der Profession liegen. Für besonders problematisch halte man die in den Gesetzesentwurf aufgenommene Idee, unbegrenzt Videotherapien zu ermöglichen. Der Goldstandard bliebe das persönliche Gespräch. Eine klare Absage erteile die Profession Videotherapien ohne persönlichen Kontakt in Diagnostik und Erstkontakt sowie unabhängig vom therapeutischen Verlauf.

Der Entwurf des Gesetzes zur verbesserten Nutzung von Gesundheitsdaten (GDNG) sehe vor, Daten aus der ePA leichter für die Forschung zugänglich zu machen, so Andreas Pichler weiter. Hier befürchte man, dass diesem Vorhaben eher marktwirtschaftliche denn patientenorientierte Interessen zugrunde liegen. Der Ansatz, dass Krankenkassen ihren Versicherten aufgrund von Gesundheitsdaten etwas anraten können, sei schlichtweg zu streichen. Ein weiterer Gesetzesentwurf beinhalte Vorbereitungen des Europäischen Gesundheitsdatenraum (EHDS). Die Idee einer für alle Länder lesbaren ePA ließe allerdings zahlreiche Fragen offen und wenig Nutzen für die Gesundheitsversorgung erkennen. Darüber hinaus würden auch diese beiden Gesetzesentwürfe zeigen, wie wichtig die Freiwilligkeit der ePA sei.

Zusammenfassend hielt Andreas Pichler fest: Die Digitalisierung könne in der psychotherapeutischen Versorgung von Nutzen sein – wenn sie mit Augenmaß erfolge. Als Profession versuche man bei diesem Thema den Spagat zwischen dem Schutz des psychotherapeutischen Arbeitsraumes und einer zeitgemäßen und sinnvollen Unterstützung durch digitale Anwendungen unter Berücksichtigung von Datenschutz und Datensicherheit. Seine Ausführungen beendete er mit einem Überblick über die (Lobby)-Arbeit der Kammer zu dem Themenbereich Digitalisierung in der Psychotherapie und dem Hinweis auf weitere Informationen unter Digitale Agenda [interner Link].

In seiner Verabschiedung betonte der Vizepräsident, die Regionalversammlungen seien eine gute Gelegenheit, für die Profession zentrale Themen gemeinsam zu erörtern. Die Anregungen der Kammermitglieder nehme der Vorstand mit in seine weitere berufspolitische Arbeit.

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