7. Sitzung der 5. Kammerversammlung am 16. September 2022 – neue Weiterbildungsordnung verabschiedet

Die 5. Kammerversammlung der Psychotherapeutenkammer Nordrhein-Westfalen trat am 16. September 2022 zu einer außerordentlichen Sitzung zusammen. Schwerpunktthema auf der Tagesordnung war die Beschlussfassung zur Weiterbildungsordnung für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten der Psychotherapeutenkammer Nordrhein-Westfalen. Die Kammerversammlung beriet in diesem Zusammenhang auch zu Änderungen der Gebührenordnung der Kammer. Vor dem Hintergrund der aktuellen Coronasituation fand die Sitzung online statt.

Gerd Höhner, Präsident der Psychotherapeutenkammer Nordrhein-Westfalen, eröffnete die Sitzung und begrüßte die Kammerversammlungsmitglieder, den Vorstand und die Mitarbeitenden der Geschäftsstelle. Als Gäste hieß er die Sprecherinnen der PiA-Vertretung NRW (Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten in Ausbildung) willkommen. Der Vorstand habe den Sondertermin anberaumt, um rechtzeitig zu einer rechtskräftigen Weiterbildungsordnung gelangen zu können. Die neue Weiterbildung könne zeitnah nachgefragt werden. Da die beschlossene Ordnung zunächst noch vom Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales (MAGS) NRW geprüft werden müsse, sei ihre Verabschiedung erst in der nächsten regulären Sitzung der Kammerversammlung im Dezember 2022 für alle Beteiligten zu spät.

Die neue Weiterbildungsordnung folgt aus der Reform der beruflichen Qualifikation der Profession mit dem Psychotherapeutengesetz vom 15.11.2019. Nach neuem Recht approbierte Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten sind auf Grundlage des Heilberufsgesetzes NRW Mitglieder der Psychotherapeutenkammer Nordrhein-Westfalen. Um an der vertragspsychotherapeutischen Versorgung teilnehmen zu können, müssen sie nach ihrem Approbationsstudium eine mindestens fünfjährige Weiterbildung durchlaufen. Die Umsetzung der Weiterbildung fällt in den Zuständigkeitsbereich der Kammer und wird in der zu beschließenden Weiterbildungsordnung geregelt.

Langwieriger Reformprozess

Mit dem vorliegenden Entwurf einer Weiterbildungsordnung für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten der Psychotherapeutenkammer Nordrhein-Westfalen sei man an einem zentralen Punkt für die Umsetzung der Reform der Aus- und Weiterbildung angelangt, betonte Gerd Höhner. Der Berufsstand habe von Anfang an auf die Mängel der mit der Errichtung der Berufe eingeführten Konstruktion hingewiesen. In den Folgejahren sei auf Landes- und Bundesebene verstärkt die Initiative erwachsen, auf eine neue Systematik hinzuarbeiten. Der Deutsche Psychotherapeutentag (DPT) habe 2014 hierfür einen ersten Beschluss mit grundlegenden Eckpunkten gefasst. Von 2015 bis 2017 habe man im Rahmen des Projekts „Transition“ der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) zur Entwicklung der reformierten Aus- und Weiterbildung getagt.

Dieser umfangreiche Arbeitsprozess sei von Beginn an in einer beachtlichen Breite und Tiefe angelegt gewesen, blickte Gerd Höhner zurück. Dies sei nicht immer einfach gewesen. Doch man hätte nicht darauf verzichten können, dieses Thema mit der erforderlichen Dauer und dem nötigen Aufwand zu behandeln. Nicht zuletzt sei dies eine Arbeitskultur, die dem Verständnis der Profession vom Umgang miteinander und letztlich den psychotherapeutischen Grundüberzeugungen entspreche. Mit den vorliegenden Ergebnissen erfahre der immense Arbeitsaufwand eine positive Bestätigung. Bei allen unterschiedlichen Gewichtungen in den Details habe man im Ganzen eine Beschlusslage erreicht, die beim DPT und in allen Landespsychotherapeutenkammern breite Zustimmung finde und tragfähig sei. Dies sei eine großartige Leistung, konstatierte Gerd Höhner. Sein Dank gelte allen, die an diesem anspruchsvollen Prozess beteiligt waren. 

Neuer Status der Profession

Mit der Reform habe man zentrale Ziele erreicht, hielt der Kammerpräsident fest. Die Zuständigkeit für einen wesentlichen Teil der Qualifikation des Berufsstandes sei in die Verantwortung der Landespsychotherapeutenkammern übergegangen. Die Zulassung zur Weiterbildung konnte einheitlich auf universitärem Masterniveau angesiedelt werden, Weiterbildungsteilnehmende würden in sozialversicherungspflichtiger Tätigkeit arbeiten und angemessen bezahlt. Ein wichtiger Aspekt sei, dass sowohl die ambulanten als auch die stationären Versorgungsanforderungen und fakultativ auch die des institutionellen Versorgungsbereichs in die Weiterbildung einbezogen wurden. Insgesamt werde die neue Qualifizierungsstruktur der Breite des Berufsfeldes und den gewachsenen und weiter steigenden Anforderungen in der Versorgung gerecht. Die Bedeutung dieser Errungenschaften für die Profession werde womöglich erst mit der Zeit deutlich, sagte Gerd Höhner. Man sei anfangs nicht mit größter Freude in der Versorgungslandschaft empfangen worden. Auch heute sei man längst nicht immer willkommen. Doch der Berufsstand habe sich in der Versorgung mit hoher Qualität durchgesetzt. Nun seien die Berufe auch rechtlich entsprechend verankert und in der Systematik ihrer Qualifizierung den Mitbewerbern im Gesundheitswesen gleichgestellt. Dies sei ein großer Schritt.

Grundzüge der neuen Weiterbildungsordnung 

Mitglieder aus dem Vorstand fassten die wesentlichen Regelungen der neuen Weiterbildungsordnung für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten der Psychotherapeutenkammer Nordrhein-Westfalen zusammen. Hermann Schürmann erläuterte, dass die Ordnung im Paragrafenteil die Inhalte aus Abschnitt A der Muster-Weiterbildungsordnung (MWBO) abbilde. Die Abschnitte B, C und D der Muster-Weiterbildungsordnung habe man aus Gründen der Rechtsförmlichkeit in Anlagen umgewandelt. Anlagen seien ranggleich mit der zugehörigen Satzung. Gegenstand der Weiterbildungsordnung seien die Regelungen für die Gebiets- und Bereichsweiterbildungen von nach neuem Recht approbierten Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten. Zusammenfassend hielt Hermann Schürmann fest, dass die Weiterbildung für Tätigkeiten in der ambulanten und (teil)stationären Versorgung, in der Prävention, in der Rehabilitation sowie im institutionellen Bereich qualifiziere. Sie müsse hauptberuflich und angemessen vergütet erfolgen und könne auch in Teilzeit absolviert werden. Theorievermittlung, Supervision und Selbsterfahrung seien Bestandteile der bezahlten Arbeitszeit. Durchgeführt werde die Weiterbildung unter verantwortlicher Leitung von durch die Kammer ermächtigten Befugten an ebenfalls durch die Kammer zugelassenen Weiterbildungsstätten. Den Abschluss bilde eine mündliche Prüfung einer Prüfungskommission der Kammer.

Kombination von Gebiet und Verfahren

Vorstandsmitglied Oliver Kunz skizzierte die Anlagen 1 und 2 des Entwurfs der Weiterbildungsordnung. Mit ihnen würden die Gebiete „Psychotherapie für Erwachsene“, „Psychotherapie für Kinder und Jugendliche“ sowie „Neuropsychologische Psychotherapie“ definiert. Die Weiterbildung in den Altersgebieten beinhalte die Qualifizierung in mindestens einem wissenschaftlich anerkannten Psychotherapieverfahren, die Weiterbildung in Neuropsychologischer Psychotherapie die Qualifizierung in Methoden und Techniken eines wissenschaftlichen anerkannten Psychotherapieverfahrens. Für jedes Gebiet seien in den Anlagen die Regelungen zu den Inhalten, der Weiterbildungszeit und den Weiterbildungsstätten festgehalten. Bezüglich der fünfjährigen Dauer der Gebietsweiterbildung sei der Profession wichtig gewesen, dass ein Jahr wahlweise auch im institutionellen Bereich absolviert werden könne. Dies berücksichtige die Breite der Tätigkeitsfelder für den Berufsstand. Abgesehen von einer Verknüpfung der Gebietsweiterbildung „Neuropsychologische Psychotherapie“ mit der Fachkunde in analytischer Psychotherapie sei jede Kombination von Gebiet und Verfahren möglich, schilderte Oliver Kunz.

Weiterbildung in Bereichen

Barbara Lubisch erläuterte Anlage 3. Sie regele die Bereichsweiterbildungen. Ziel einer Bereichsweiterbildung sei der Erwerb von Kenntnissen, Erfahrungen und Fertigkeiten in weiteren Verfahren, spezialisierten psychotherapeutischen Methoden oder in besonderen Anwendungsbereichen. Als Anwendungsbereiche seien „Spezielle Psychotherapie bei Diabetes“, „Spezielle Schmerzpsychotherapie“ und „Sozialmedizin“ vorgesehen. Mit Abschluss der Bereichsweiterbildung würde eine ankündigungsfähige Zusatzbezeichnung erworben. Dies eröffne berufliche Entwicklungsmöglichkeiten und verbreitere das Versorgungsangebot. Viel Arbeit sei in die Überlegungen geflossen, wie umfangreich die Bereichsweiterbildungen gestaltet und inwiefern bereits erworbene Kenntnisse bzw. Kompetenzen berücksichtigt werden, informierte Barbara Lubisch. Ziel seien gleichwertige Regelungen für alle Verfahren gewesen. Zudem habe man auf praktikable Anforderungen geachtet, auch damit eine Bereichsweiterbildung wie vorgesehen berufsbegleitend durchgeführt werden könne. 

Intensive Arbeit im Ausschuss 

Dr. Jürgen Tripp, Vorsitzender im Ausschuss Aus- und Weiterbildung im Rahmen der Ausbildungsreform der Kammer, blickte auf die Arbeit im Ausschuss zurück. Man sei direkt nach dem DPT-Beschluss 2014 tätig geworden und habe den Reformprozess intensiv begleitet. Im Laufe dieser acht Jahre seien vielfältige Fragestellungen intensiv diskutiert worden. Zahlreiche Interessensgruppen im Berufsfeld und darüber hinaus seien eingebunden gewesen. Aus dem Ausschuss habe man der Kammerversammlung berichtet, der Vorstand habe Anregungen aufgegriffen und auf Bundesebene eingespeist, Ausschussmitglieder seien an Workshops der Bundespsychotherapeutenkammer beteiligt gewesen. Er habe registriert, dass die Profession viel Anerkennung dafür geerntet habe, wie konstruktiv und geordnet die Diskussionsprozesse abgelaufen seien, resümierte Dr. Jürgen Tripp. Auch im Ausschuss habe man kollegial und konstruktiv zusammengearbeitet. Es läge in der Natur der Sache, dass nicht immer alle Interessen berücksichtigt werden konnten. Doch im Ganzen habe man ein gut durchdachtes Ergebnis erzielt.

Differenzierte Diskussion in der Kammerversammlung 

In der Diskussion betonten Kammerversammlungsmitglieder unter anderem die Aufgabe, die Qualität der in der Versorgung stattfindenden Weiterbildung zu sichern. Eine Sorge sei, dass nicht ausreichend Weiterbildungsstellen entstehen könnten. Zudem müsse die Finanzierung der Weiterbildung im ambulanten Bereich dringend geklärt werden. Hierzu erklärte der Präsident, dass zunächst die Weiterbildungsordnung verabschiedet sein müsse, um dann weitere Verhandlungen mit der Politik führen zu können. Hervorgehoben wurde der Wunsch, auf Landesebene Abweichungen von der Muster-Weiterbildungsordnung (MWBO) zu vermeiden. Landeseinheitliche Regelungen würde den Weiterbildungsteilnehmenden beispielsweise Probleme beim Wechsel in ein anderes Bundesland ersparen. Vorstandsmitglied Barbara Lubisch betonte, dass bundeseinheitliche Regelungen auch die Souveränität der Profession bei bevorstehenden Verhandlungen stärken würden. Kammervizepräsident Andreas Pichler wies darauf hin, dass manche Schwierigkeiten nicht erst mit der Weiterbildung aufkommen würden, sondern bereits Realität seien. Doch die Weiterbildung eröffne der Profession die Möglichkeit, auf die Prozesse in der Weiterbildung einzuwirken. Damit sei ein enormer Gewinn an Gestaltungsmöglichkeiten verbunden, die man sinnvoll nutzen müsse. Gerd Höhner ergänzte, dass viele der angesprochenen Aspekte Teil der ständigen Auseinandersetzung im berufs- und gesundheitspolitischen Alltag seien. Auch die Diskussion um den Stand der Profession im Gesundheitswesen werde mit Verabschiedung der Weiterbildungsordnung nicht beendet. Umso wichtiger sei es, mit Mut, Zuversicht und Engagement weiterzugehen. Die Weiterbildungsordnung sei eine gute Grundlage für das, was der Beruf in Zukunft benötige.

Verabschiedung der Weiterbildungsordnung

Einführend zur Beschlussfassung verdeutlichte Gerd Höhner, dass Abweichungen in der vom Vorstand zur Abstimmung gestellten Weiterbildungsordnung zur Muster-Weiterbildungsordnung rein rechtsförmlicher Natur seien oder sich aufgrund des Heilberufsgesetztes NRW bzw. der Verhältnismäßigkeit ergeben würden. Prämisse sei gewesen, möglichst wenig an dem Text der Muster-Weiterbildungsordnung zu ändern.Die Kammerversammlungsmitglieder stimmten zunächst über Änderungsanträge ab, die sich auf Details der Anlagen der Weiterbildungsordnung bezogen. Angenommen wurde der Antrag, in die Anlage 3 aufzunehmen, dass nach einer Gebietsweiterbildung in tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapie die damit ebenfalls erworbene Gruppenqualifikation für analytische Psychotherapie auch für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen gelte und umgekehrt. In der Abstimmung über den entsprechend geänderten Antrag des Vorstands sprachen sich 59 Kammerversammlungsmitglieder und damit 76 Prozent für die Weiterbildungsordnung für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten der Psychotherapeutenkammer Nordrhein-Westfalen aus.

Überlegungen zu Gebührenordnung und Haushalt 

    Andreas Pichler stellte anschließend heraus, dass mit der Verabschiedung der Weiterbildungsordnung eine Grundlage geschaffen sei, um die Einrichtung der benötigten Infrastruktur in Angriff nehmen zu können. Für neue Aufgaben der Kammer wie beispielsweise die Prüfung von Anträgen auf Zulassung als Weiterbildungsstätte oder als Weiterbildungsbefugte bzw. -befugter seien Gebührentatbestände einzurichten. Des Weiteren müssten Begriffe wie Gebiets- und Zusatzbezeichnung in die Gebührenordnung eingeführt werden. Im Anschluss an seine Darstellung der notwendigen Änderungen im Bereich Gebühren gab Andreas Pichler einen haushaltpolitischen Ausblick zur Umsetzung der Weiterbildungsordnung in der Kammer. Man halte einen Implementierungszeitraum von mindestens fünf Jahren für realistisch. Angaben zum Haushalt müssten daher zunächst vage bleiben. Für die Finanzierung der zu erwartenden juristischen Aufwände und Aufgaben wie Aufklärung und Unterstützung der Weiterbildungsstätten und Weiterbildungsteilnehmenden habe man bereits im Vorfeld zweckgebundene Rücklagen gebildet. Benötigte personelle Ressourcen in der Geschäftsstelle seien in der Entwicklung der Stellenpläne berücksichtigt. Zahlen zu möglichen Erlösen im Zuge der Weiterbildung seien ebenfalls mit der gebührenden Vorsicht in die Haushaltsüberlegungen 2023 eingegangen. Abschließend skizzierte Andreas Pichler Überlegungen zur Entwicklung der zukünftigen Beitragseinnahmen der Kammer durch die neuen Mitglieder. Nach der Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt vertagte der Vorstand die Änderung der Gebührenordnung auf die nächste Sitzung der Kammerversammlung. Mit dem Aufschub bliebe mehr Zeit, in den Gremien Details der neuen Gebührenstruktur zu diskutieren und im Dezember informierter hierzu entscheiden zu können.

    Engagiert in die Zukunft

    Abschließend bedankte sich Gerd Höhner für die kooperative Arbeit im Vorstand und die gute gemeinsame Arbeit aller am Reformprozess Beteiligten. Der Geschäftsstelle dankte er für die Vorbereitung und Durchführung der Sitzung im online-Format. Mit dem Beschluss der Weiterbildungsordnung sei ein wichtiger Meilenstein erreicht. Auf die Profession und die Kammer käme nun eine enorme Umsetzungsarbeit zu. Diese Herausforderung werde man engagiert angehen.

    Meldungen abonnieren