Die elektronische Patientenakte – Online-Informationsveranstaltung am 27. September 2021

Wie können Psychotherapeutinnen und Psychotherapeutinnen die elektronische Patientenakte im Rahmen ihrer Tätigkeit nutzen, was müssen sie wissen und beachten? Die Informationsveranstaltung „Die elektronische Patientenakte (ePA) – zwischen Patientennutzen und Datenschutz“ beleuchtete sozialrechtliche Aspekte der elektronischen Patientenakte in der psychotherapeutischen Versorgung, ihre aktuellen Funktionen und die geplanten Ausbaustufen sowie Rechts- und Haftungsfragen im Zusammenhang mit der Nutzung der Akte. Fast 600 an dem Thema Interessierte hatten sich zu der kostenfreien Veranstaltung angemeldet, die von der Psychotherapeutenkammer NRW in Kooperation mit der Landespsychotherapeutenkammer Rheinland-Pfalz konzipiert worden war und online stattfand.

Datenschutz und Datensicherheit im Mittelpunkt

Gerd Höhner, Präsident der Psychotherapeutenkammer NRW, begrüßte die große Runde der Teilnehmenden – unter ihnen auch die Mitglieder des Ausschusses Digitalisierung der Kammer – und die Referierenden. Er betonte, dass die Veranstaltung ein Thema aufgreife, welches die Profession bereits seit einiger Zeit beschäftige und weiterhin beschäftigen werde. „Eine besondere Bedeutung kommt dabei dem Datenschutz und der Datensicherheit zu, denn die Vertraulichkeit ist eine unverzichtbare Grundlage in der psychotherapeutischen Beziehung. Beide Aspekte verdienen große Aufmerksamkeit, darauf werden wir immer wieder deutlich hinweisen.“

Sabine Maur, Präsidentin der Landespsychotherapeutenkammer Rheinland-Pfalz, stellte in ihrer Begrüßung heraus, dass die elektronische Patientenakte im eigentlichen Sinne keine Anwendung für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten sei, sondern für die Patientinnen und Patienten. Der Berufsstand respektiere deren Entscheidungshoheit, ob sie die Akte nutzen, womit sie befüllt werden soll und wer Zugang zu den Daten erhält. Wichtig sei, dass Patientinnen und Patienten die mit der elektronischen Akte verbundenen Nutzungsmöglichkeiten kennen. Für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten könne die elektronische Akte hilfreich sein, um für die Behandlung relevante medizinische Daten einzusehen und einzubeziehen. Auch Sabine Maur verwies auf das notwendige „Toplevel an Datenschutz“ im Umgang mit der elektronischen Patientenakte.

„Mit der Entwicklung Schritt halten“

Andreas Pichler, Vizepräsident der Psychotherapeutenkammer NRW, moderierte die Veranstaltung. In seiner Einführung betonte er, dass die Kammer es als ihre Pflicht betrachte, Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten umfassend zu der neuen Anwendung der Telematik zu informieren und ihnen Hilfestellungen an die Hand zu geben, wie sie sich hierzu in der Praxis organisieren können. Gemeinsam mit der Landespsychotherapeutenkammer Rheinland-Pfalz sei es gelungen, eine Veranstaltung mit großer inhaltlicher Bandbreite zu konzipieren. „Die Vielfalt der Vorträge soll Ihnen ermöglichen, sich selbst ein Bild davon zu machen, um welche Themen wir uns im Zusammenhang mit der elektronischen Patientenakte kümmern müssen“, hielt Andreas Pichler fest. Dabei ginge es auch darum, Schritt zu halten. „Die Entwicklung ist schnell und die Digitalisierung über die Telematik hinaus äußerst facettenreich. Als Berufsstand müssen wir uns dieser Entwicklung stellen. Auch der Ausschuss Digitalisierung der Psychotherapeutenkammer NRW wird sich daher weiterhin intensiv mit diesen Themen befassen.“ Die Kammer habe zudem auf ihrer Homepage in dem Themenschwerpunkt „Digitale Agenda“ Informationen zu für den Berufsstand relevanten Aspekten der Digitalisierung im Gesundheitswesen zusammengestellt. Die Landespsychotherapeutenkammer Rheinland-Pfalz biete mit ihrer Broschüre „Diskurs Digitalisierung: Psychotherapie“ [PDF, 6.4 MB] einen Überblick über mit dieser Thematik verbundene Herausforderungen und Fragen.

Sozialrechtliche Aspekte

Andrea Sieker, Rechtsanwältin und Leiterin der Abteilung Digitalisierung der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein, erläuterte in ihrem Vortrag sozialrechtliche Aspekte der elektronischen Patientenakte in der psychotherapeutischen Versorgung. Sie erläuterte, dass die Krankenkassen seit dem 1. Januar 2021 ihren Versicherten die mit dem Patientendatenschutzgesetz (PDSG) 2020 eingeführte Akte anbieten und sie zur Einrichtung und Nutzung der Akte beraten müssen. Im Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) sei geregelt, welche Daten in die Akte eingestellt werden können; die Entscheidung, was ihre Akte aufgenommen wird, liege jedoch bei den Versicherten. Sie könnten zudem jederzeit Inhalte hinzufügen und löschen. Insofern dürften Leistungserbringende an die Akte keinen Anspruch auf Vollständigkeit stellen. Insbesondere machte die Referentin auf Probleme im Zusammenhang mit dem aktuell noch fehlenden Berechtigungsmanagement aufmerksam: Versicherte besäßen zwar die Hoheit über ihre Daten, könnten aber derzeit nur den grundsätzlichen Zugriff gewähren. Für Minderjährige könnten sorgeberechtigte Eltern eine elektronische Patientenakte eröffnen, verwalten und jederzeit einsehen. In konfliktgeladenen Familiensituationen und bei vom Alter her einwilligungsfähigen Jugendlichen könne dies kritisch sein. Hier stehen noch rechtliche Lösungen aus.

Für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten gelte seit dem 1. Juli 2021 die Pflicht, die elektronische Akte als zusätzliche Informationsquelle zu nutzen und ihre Patientinnen und Patienten auf deren Wunsch hin bei der Befüllung der Akte zu unterstützen. Die Referentin empfahl, die Versicherten hierbei gezielt darauf hinzuweisen, dass sie derzeit noch keine Zugriffsbeschränkungen einrichten können. Für die Arbeit mit der elektronischen Patientenakte werde rechtlich verpflichtend der elektronische Heilberufsausweis (eHBA) benötigt. Er legitimiere die Inhabenden als zugriffsberechtigt und ermögliche über die digitale Signatur, die Herkunft der Daten in der Akte zu protokollieren. Abschließend griff Andrea Sieker Aspekte hinsichtlich der Delegation von Aufgaben auf und fasste zusammen, was Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten im Zusammenhang mit der elektronischen Akte für ihre Dokumentation berücksichtigen müssen.

Funktionen und Ausbaustufen

Charly Bunar, strategischer Produktmanager ePA bei der gematik, widmete sich dem Thema „Von der Theorie in die (psychotherapeutische) Praxis: Konzept, Funktionsweise und Ausblick auf die Ausbaustufen der ePA“. Er stellte die konzeptionellen Überlegungen für die Einführung der elektronischen Patientenakte dar, die bundesweit, sektoren- und einrichtungsübergreifend genutzt werden könne. Die eingerichtete Standardisierung sorge dafür, dass unabhängig von der Krankenkasse der Versicherten jede Akte mit jedem Praxisverwaltungssystem kommunizieren könne. Nach einem Überblick über die technischen Module, die Versicherte und Leistungserbringende für die Anwendung benötigen, demonstrierte der Referent anhand fiktiver Beispiele die praktische Nutzung der elektronischen Patientenakte.

Patienten würden ihre elektronische Patientenakte bei ihrer Krankenkasse beantragen und sie über eine App auf dem Smartphone oder dem Tablet bedienen. In ihrer Akte könnten sie unter anderem zeitlich befristete Zugangsberechtigungen einrichten und erkennen, welche Aktionen darin getätigt wurden. Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten würden für den technischen Zugang zu der elektronischen Patientenakte den Konnektor zur Telematikinfrastruktur sowie ihren Praxisausweis (SMC-B) benötigen. Zusätzlich müssten sie zur Legitimation über den elektronischen Heilberufsausweis verfügen. Über ihr Praxisverwaltungssystem und ihre Telematik-ID – sofern diese von der Patientin bzw. dem Patienten freigegeben wurde – könnten sie sich in die Akte einloggen und Inhalte suchen, lesen und herunterladen sowie Dokumente einstellen und mit Metadaten kennzeichnen. Ihre Einträge würde das System automatisch protokollieren.

Mit den weiteren Ausbaustufen werde der Funktionsrahmen der Anwendung kontinuierlich erweitert, informierte Charly Bunar. So könnten Versicherte ab 2022 ihre Akte auch am Computer aufrufen. Es werde unter anderem möglich, Vertreterrollen einzurichten, Zugriffsberechtigungen zu spezifizieren und die Akte und deren Inhalte bei einem Wechsel der Krankenkasse zu migrieren. Mit der dritten Ausbaustufe 2023 sei unter anderem das Zusammenspiel von digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) mit der elektronische Patientenakte vorgesehen.

Rechts- und Haftungsfragen

Götz Keilbar (Fachanwalt für Medizin-, Verkehrs- und Versicherungsrecht) erörterte haftungsrechtliche Fragestellungen der elektronischen Patientenakte. Seinen „Blick durch die Haftungsbrille“ richtete er auf drei wesentliche Fragen. Erstens müsse man sich mit dem Zweck der Akte befassen. Ziel ihrer Einführung sei die Verbesserung der Versorgung hinsichtlich Qualität, Transparenz und Wirtschaftlichkeit; insbesondere sollen Anamnese und Befunderhebung gezielt unterstützt werden. Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten seien daher angehalten, sich bei ihren Patientinnen und Patienten zu erkundigen, ob eine elektronische Patientenakte vorhanden ist. Ratsam sei, Fragen und Antworten hierzu zu dokumentieren. Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten seien nicht angehalten, von sich aus auf die mit dem Führen einer Akte verbundenen Möglichkeiten hinzuweisen.

Zweitens müsse man der Frage nachgehen, wer über den Inhalt der Akte verfügen dürfe und womit sie befüllt werden soll. Inhaber der Akte seien die Versicherten und das Einsichtsrecht läge bei ihnen. Allerdings sei im SGB V geregelt, dass sie Dritten Einsicht gewähren können. Insbesondere wies der Rechts- und Fachanwalt darauf hin, dass Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten dem Anspruch der Versicherten auf Befüllung ihrer Akte nachkommen müssen. Es seien jedoch nur versorgungsrelevante Daten aus der konkreten aktuellen Behandlung einzustellen.

Drittens und besonders gewichtig sei die Frage, wie alle Beteiligten mit der elektronischen Patientenakte umgehen sollten. Hierzu werde sich der Standard noch entwickeln. Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten müssten bei Vorliegen einer Akte darin enthaltene Daten im Rahmen ihrer Anamneseerhebung beachten. Allerdings müssten sie nicht sämtliche in der Akte hinterlegten Informationen lesen. Der Inhalt der elektronischen Patientenakte sei zudem nur eine Ergänzung zum persönlichen Gespräch. Insgesamt würde die neue Anwendung den Umgang mit den Daten der Patientinnen und Patienten nicht verändern. Vielmehr gelte es, das was Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten heute analog umsetzen, in die digitale Welt zu transferieren, hielt Götz Keilbar fest.

Fragen und Podiumsdiskussion

Jeweils im Anschluss an die Fachvorträge nutzten viele der Teilnehmenden die Möglichkeit, Fragen an die Referierenden zu stellen. Mehrfach angesprochen wurden Aspekte im Zusammenhang mit Datenschutz und Zugriffsrechten, Dokumentation und Haftung. Festgehalten wurde auch, dass mit dem großen Informationsbedarf der Patientinnen und Patienten ein deutlicher Mehraufwand für den Berufsstand zu erwarten sei, den es berufspolitisch zu verfolgen gelte.

In der anschließenden Podiumsdiskussion konnten weitere Aspekte in Verbindung mit der Anwendung der elektronischen Patientenakte vertieft werden. Neben den Referierenden und den Vorstandsmitgliedern beider Kammern nahmen zusätzlich Beate Kalz, Referentin TI-Fachanwendungen im Geschäftsbereich IT & eHealth der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen Lippe, und Dr. jur. Steffen Römheld, juristischer Referent im Geschäftsbereich Recht der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe, virtuell auf dem Podium Platz. In der Gesprächsrunde wurde nochmals deutlich, wie vielschichtig Theorie und Praxis rund um die neue elektronische Patientenakte sind und dass derzeit nicht alle Fragen, die den Berufsstand umtreiben, befriedigend beantwortet werden können. Mehrere Teilnehmende äußerten den Wunsch nach Unterstützung und Hilfestellung für die Arbeit mit der neuen Telematik-Anwendung. Gerd Höhner hielt zum Ende der Veranstaltung fest: „Die Menge der Fragen hat gezeigt: Im Detail wird es knifflig. Wir werden uns weiter mit diesen Aspekten befassen und diese Veranstaltung wird nicht die letzte hierzu gewesen sein. Für heute danke ich allen Beteiligten für ihre guten Informationen und Beiträge und unserer Geschäftsstelle für das perfekte Veranstaltungsmanagement.“

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