Eine offene Antwort auf einen offenen Brief

Am 9. Januar 2022 erreichte die Psychotherapeutenkammer NRW ein „Offener Brief“ mit dem Titel „Approbierte ärztliche und psychologische PsychotherapeutInnen und PsychologInnen für eine Solidarisierung mit der Gesamtheit unserer Berufsausübenden, gegen Ausgrenzung, Spaltung, Bestrafung und Berufsausübungsverbote“, der von mehr als 450 Mitzeichnerinnen und Mitzeichnern unterstützt wird. Das Schreiben wurde allen Landespsychotherapeutenkammern, der Bundespsychotherapeutenkammer, Berufsverbänden, den Kassenärztlichen Vereinigungen der Länder, der Pressestelle der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, dem Bundesgesundheitsministerium, dem Deutschen Bundestag und der Deutschen Bundesregierung zur Kenntnis gegeben.
 
In dem Schreiben werden Annahmen, Vermutungen und Andeutungen geäußert, die aus Sicht des Vorstandes der Psychotherapeutenkammer NRW nicht unkommentiert bleiben dürfen.
 
Die Profession trägt für die öffentliche Gesundheit eine besondere Verantwortung

Der Vorstand der Psychotherapeutenkammer NRW fordert alle Berufskolleginnen und -kollegen auf, die erforderlichen Schutz- und Hygienemaßnahmen zu ergreifen, das heißt auch, sich impfen zu lassen, damit sie ihren Versorgungsverpflichtungen nachkommen können. Wenn Kolleginnen und Kollegen aus persönlichen Gründen Impfmaßnahmen ablehnen, gilt es dies zu respektieren. Gleichwohl ist klar: Diese müssen die Konsequenzen dieser Entscheidung selbst tragen. So werden sie für die Zeit der Pandemielage wahrscheinlich psychotherapeutische Behandlungen nicht mehr ausführen können. Der Vorstand der Psychotherapeutenkammer NRW bedauert die daraus resultierenden Beeinträchtigungen, sieht darin aber keine „kollegiale Ausgrenzung“, sondern notwendige Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie sowie der Risikominimierung gerade im Gesundheitswesen.
 
Es ist unredlich, den Eindruck zu erwecken, dass für persönliche Entscheidungen der gesamte Berufsstand zu haften hat. Die Aufforderung, sich mit den Kolleginnen und Kollegen zu solidarisieren, die „aufgrund ihres Impfstatus“ aus der psychotherapeutischen Versorgung „ausgegrenzt werden sollen“, passt nicht zur Wirklichkeit.
 
Wissenschaftlich, fachlich unseriöse Behauptungen schaden dem Ansehen der Profession

Psychologische Psychotherapeutinnen und Psychologische Psychotherapeuten sowie Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten üben ihren Beruf auf der Basis wissenschaftlich fundierter Verfahren und Methoden aus. Die Anwendung unwissenschaftlicher Vorgehensweisen ist aus fachlichen und berufsethischen Gründen nicht erlaubt. Wenn im Rahmen der öffentlichen Diskussion zum Thema Impfen der Eindruck erweckt wird, dass es sich hierbei um ein unwissenschaftliches Verfahren handelt, dann wird auch die wissenschaftliche Fundierung unserer Profession beschädigt. Die Psychotherapeutenkammer NRW widerspricht ausdrücklich der Andeutung, dass es auch andere als wissenschaftlich begründete Fakten gibt. Es ist insofern keine Frage persönlicher „Meinungen“, ob Impfmaßnahmen richtig oder falsch sind.
 
Die politische Dimension dieser Argumentation ist demokratiefeindlich und unser Gemeinwesen beschädigend

Während die Impfmaßnahmen selbst wissenschaftlich gut begründet sind, ist die Frage einer (tätigkeitsbezogenen) Impf-Pflicht eine politische Entscheidung. Hier kann man unterschiedlicher Meinung sein. Der Vorstand der Psychotherapeutenkammer NRW kann nachvollziehen, dass die Mitglieder des Bundestags in einer klaren Mehrheitsentscheidung den im Gesundheitswesen Tätigen eine besondere Verpflichtung gegenüber vulnerablen Menschen auferlegen. In dem „Offenen Brief“ werden allerdings dramatische Reaktionen als Folgen von „Spaltung, Ausgrenzung, Bestrafung“ dargestellt. Es wird der Eindruck erzeugt, dass die „Spalter“ die anderen, die staatlichen Akteure sind, und die Kolleginnen und Kollegen, die Impfmaßnahmen ablehnen, die Opfer dieser Maßnahmen. Es wird so eine Argumentation „wir gegen den Staat“ aufgebaut, der den einzelnen angeblich bedroht.
 
Die Psychotherapeutenkammer NRW hält diese Szenarien für gefährlich. Sie stellen die demokratischen Spielregeln in Frage. Die individuellen Rechte werden hier nicht außer Kraft gesetzt. Unser aller Freiheit ist durch das Infektionsschutzgesetz nicht bedroht!

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