Ermächtigung zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung von Flüchtlingen – Informations- und Dialogveranstaltung der PTK NRW in Dortmund

Wer kann eine Ermächtigung zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung von Flüchtlingen beantragen? Welche Personen dürfen behandelt werden, welche Leistungen sind vorgesehen und wer trägt die Kosten? Diese und viele weitere Fragen standen im Zentrum der Informations- und Dialogveranstaltung „Ermächtigung zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung von Flüchtlingen“ der Psychotherapeutenkammer NRW (PTK NRW), die am 15.06.2016 in der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe stattfand. Gut 60 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus beiden Landesteilen waren der Einladung der Kammer gefolgt und nach Dortmund gekommen, um sich zu informieren und auszutauschen.

„Wir freuen uns, dass wir diesen Termin kurzfristig realisieren und Referentinnen beider nordrhein-westfälischen Kassenärztlichen Vereinigungen unseres Landes gewinnen konnten“, stellte Gerd Höhner, Präsident der PTK NRW, in seiner Begrüßung heraus. „Zum einen erleben wir bei Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten ein großes Interesse, mit Flüchtlingen und Asylsuchenden zu arbeiten – zum anderen registrieren wir, dass viele Fragen und Unsicherheiten bestehen, die sich häufig auch auf das Thema Ermächtigungen beziehen.“

Wichtige Signalwirkung

Neben Informationen zu einer möglichen Ermächtigung ginge es zudem darum, mit der Veranstaltung ein Signal zu setzen, so Gerd Höhner weiter. „Wir zeigen hiermit: Es geht uns nicht nur um die Erstversorgung der Menschen, die zu uns gekommen sind. Wir möchten auch langfristig tragende Versorgungsangebote für sie schaffen. Derzeit arbeiten wir an Konzepten, wie wir auch den Flüchtlingen und Asylsuchenden helfen können, die noch nicht 15 Monate in Deutschland sind. Die aktuelle Regel, dass dies erst nach 15 Monaten mit ihrem Eintritt in die gesetzliche Krankenversicherung möglich wird, ist absurd. Um eine angemessene Versorgung zu schaffen, brauchen wir darüber hinaus Kooperationen und vernünftige Strukturen. Die Kammer wendet sich hierzu aktuell mit einer Umfrage zu der Versorgung von Flüchtlingen an ihre Mitglieder, um Informationen über Aktivitäten und Akteure in den Regionen zu sammeln und gegebenenfalls weitergeben zu können. Wir freuen uns, wenn möglichst viele unserer Mitglieder sich an der Umfrage beteiligen.“

Der Präsident hob zudem hervor, dass man sich im Rahmen der Arbeit mit Flüchtlingen und Asylsuchenden auch Fragen zur kulturellen Identität, zu Traumatisierung und zu einer möglichen Irritation der Identität widmen müsse, da diese Aspekte weitreichende Wirkungen entfalten könnten. „Wir werden diese Themen auf der anstehenden Landesgesundheitskonferenz einbringen, die sich mit der Versorgung von Flüchtlingen befasst und hinsichtlich der Dringlichkeit des Themas auf den 24. Juni 2016 vorgezogen wurde. Auch mit Blick auf diesen nahenden Termin bin ich froh, dass unsere Veranstaltung heute möglich wurde, wir mit Ihnen über das wichtige Thema Ermächtigungen sprechen können und Ihre Rückmeldungen mit in die bevorstehende Landesgesundheitskonferenz nehmen können.“

Informationen aus den Landesteilen

Marion Henkel, Stellvertretende Leiterin Geschäftsbereich Zulassung/Sicherstellung der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe, informierte darüber, dass seit dem letzten Jahr bislang neun Ermächtigungen erteilt wurden. „Wir sind sehr daran interessiert, dass diese Zahl steigt – sprechen Sie uns bei Interesse gerne an. Wir können Ihnen Ansprechpartner nennen und sind Ihnen bei der Antragsstellung behilflich“, lud Marion Henkel die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ein.

Für die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe stellte Daniela Krajka, Abteilung Genehmigungen/Psychotherapie, die spezielle Ermächtigungsform für die Versorgung von Flüchtlingen und die für diesen Landesteil geltenden Bedingungen vor. Über die Ermächtigungsform der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein informierte Britta Kleiß, Abteilungsleiterin Bereich Sicherstellung und Qualitätssicherung, Rechtsabteilung. Die Referentinnen erläuterten die Grundlagen und die notwendigen Voraussetzungen für eine persönliche oder eine Institutsermächtigung, informierten über den Personenkreis, der behandelt werden kann, über mögliche Leistungen und schließlich über das jeweilige Antragsverfahren.

In einem regen Austausch untereinander bezogen sich Nachfragen aus dem Plenum unter anderem darauf, wer eine persönliche Ermächtigung beantragen kann, welche Voraussetzungen ein Institut erfüllen muss, ob Einzelermächtigungen an Instituten möglich sind oder welche Regelungen für Jobsharingpraxen gelten. Auch praktische Dinge kamen zur Sprache, etwa ob Patienten eine Überweisung vom Hausarzt benötigen oder direkt die elektronische Gesundheitskarte eingelesen werden kann, was passiert, wenn der oder die Ermächtigte einen Kassensitz erhält und wie es nach Ablauf einer Ermächtigung für bereits behandelte Patienten weitergehen kann.

Erfahrungsberichte aus erster Hand

Einblick in ihre Erfahrungen mit einer Ermächtigung zur psychotherapeutischen Versorgung von Flüchtlingen gaben Semra Ay, Psychologische Psychotherapeutin aus Bielefeld und seit Februar 2016 im Besitz einer Ermächtigung, sowie Juliana Schäfers, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin in Sundern und ermächtigt für die Region Soest. In den Schilderungen der Psychotherapeutinnen wurde deutlich, wo in der Ausübung noch erhebliche Hindernisse vorliegen und damit Verbesserungsbedarf besteht. Vor allem bei der Rekrutierung von passenden Patienten, der Abrechnung von Leistungen und der Übernahme von Dolmetscherkosten beschrieben die beiden Psychotherapeutinnen Probleme.

Zum Ende der Veranstaltung hielt Gerd Höhner fest: „Es ist viel in Bewegung, aber wir sind längst noch nicht angekommen und es bestehen nach wie vor viele Fragen und Unklarheiten. Als Psychotherapeutenkammer NRW werden wir uns weiterhin für eine adäquate Versorgung von Flüchtlingen stark machen, uns zu Wort melden, an passenden Konzepten arbeiten und die notwendigen Gespräche suchen.“

Hintergrund

In den letzten Monaten ist die Zahl besonders schutzbedürftiger Asylsuchender und Flüchtlinge mit einem besonderen psychotherapeutischen und psychiatrischen Behandlungsbedarf hierzulande stark gestiegen. Um sie ausreichend versorgen zu können, wurde im Rahmen der Verordnung zum Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz vom Oktober 2015 der Paragraph 31 Abs. 1 Zulassungsverordnung für Vertragsärzte um eine Ermächtigungsform erweitert.

Inhalt und Ziel dieser Ergänzung ist, eine sichere, zeitnahe und kontinuierliche psychotherapeutische und psychiatrische Behandlung von Asylsuchenden und Flüchtlingen zu gewährleisten, die aufgrund von Folter, Vergewaltigung oder sonstigen schweren Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt besonders schutzbedürftig sind. Zu beachten ist jedoch, dass lediglich die Menschen behandelt werden dürfen, die sich bereits seit mindestens 15 Monaten in Deutschland aufhalten und damit Mitglied in einer gesetzlichen Krankenversicherung sind.

Psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten sowie Ärzte mit einer für die Behandlung erforderlichen Weiterbildung können eine entsprechende persönliche Ermächtigung beantragen. Wichtig ist, dass noch kein Teilnahmestatus an der vertragspsychotherapeutischen / -ärztlichen Versorgung in der zu versorgenden Region vorliegt. Für Psychosoziale Zentren gibt es die Möglichkeit einer Institutsermächtigung. Die Ermächtigung ist bedarfsunabhängig. Das bedeutet, dass der Zulassungsausschuss bei entsprechender Vorlage der Voraussetzungen verpflichtet ist, die Ermächtigung zu erteilen. Für Westfalen-Lippe wird sie befristet auf zwei Jahre erteilt, im Bereich Nordrhein hat sie vier Jahre Gültigkeit.

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