Kammervorstand und Mitglieder im Gespräch auf der Regionalversammlung für den Regierungsbezirk Köln am 21. Juni 2023

Was bewegt die Kammerangehörigen bei Themen wie Versorgungsplanung oder Digitalisierung in der Psychotherapie? Welche Erfahrungen prägen ihren Berufsalltag, wo sehen sie politischen Handlungsbedarf? Diese Fragen richteten Andreas Pichler, Vizepräsident der Psychotherapeutenkammer Nordrhein-Westfalen, und seine Vorstandskollegin Barbara Lubisch an die Kammermitglieder, die am 21. Juni 2023 zur Regionalversammlung für den Regierungsbezirk Köln gekommen waren. Ebenso interessiert waren sie daran, wie die Kammermitglieder die Aktivitäten ihrer Berufsvertretung beurteilen und was sie dem Vorstand für seine berufspolitische Arbeit mitgeben möchten. Den Rahmen für den Austausch bildeten drei Vorträge zu aktuellen berufspolitischen Schwerpunkten. Rund 65 Interessierte hatten sich zu der Veranstaltung in Köln angemeldet. Andreas Pichler hieß die Teilnehmenden, seine Vorstandskollegin und die Mitarbeiterinnen der Geschäftsstelle herzlich willkommen. In seiner Begrüßung regte er an, sich jederzeit zu Wort zu melden. Man wolle sich den Themen gemeinsam nähern, sich zu den Fragestellungen der Mitglieder austauschen und sie in die Kammerarbeit mitnehmen. Die Regionalversammlungen, zu denen der Vorstand reihum in den Regierungsbezirken Nordrhein-Westfalens einlädt, seien für alle ein wertvoller Resonanzraum, um die Anliegen der Profession zu schärfen und voranzubringen, betonte der Vizepräsident.

Psychotherapeutische Versorgungsplanung

Andreas Pichler skizzierte einführend die Position des Kammervorstandes zur psychotherapeutischen Versorgungsplanung in Nordrhein-Westfalen. Die überfällige Reform der Bedarfsplanung mahne man beharrlich an. Seit geraumer Zeit bemerke man eine wachsende Nachfrage nach Psychotherapie, beeinflusst auch durch Krisen wie die Coronapandemie oder den Klimawandel. Die Hochwasserkatastrophe in Teilen Nordrhein-Westfalens im Sommer 2021 habe ebenfalls einen hohen Hilfebedarf erzeugt. Die Kammer habe sich dem intensiv angenommen und einiges bewegen können. So habe ein Vorstandskollege präventive Gruppenangebote für Kinder und Jugendliche mit initiiert und eine Resolution der Kammerversammlung dazu beigetragen, dass Ermächtigungen für die psychotherapeutische Versorgung von Flutopfern erteilt wurden. Kammermitglieder bestätigten in der Diskussion den großen Unterstützungsbedarf von Hochwasserbetroffenen. Der weitere Ausbau der psychotherapeutischen Kapazität sei notwendig. Einige Teilnehmende berichteten in diesem Zusammenhang, dass manche Krankenkassen auf Anfragen zur Kostenerstattung von Behandlungen in Privatpraxen deutlich ablehnend reagieren würden. Hervorgehoben wurde die Forderung, mit der Reform der Gebührenordnung (GOP) die Wirtschaftlichkeit von Privatpraxen zu sichern.Andreas Pichler informierte, dass die Kammer die Politik ebenso anmahne, die in den Koalitionsvertrag der Bundesregierung aufgenommene Reform der psychotherapeutischen Bedarfsplanung umzusetzen. Um dem hohen Bedarf gerecht zu werden, sei in diesem Zusammenhang wichtig, auch die Behandlungskapazitäten in bestehenden Praxen ausbauen, beispielsweise durch Erleichterungen beim Jobsharing. Bei den Abgeordneten finde die Profession viel Verständnis für ihre Anliegen. In Entscheidungsgremien wie dem Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) würden jedoch die Kostenträger mit lauter Stimme sprechen und notwendige Reformen ausbremsen. Vehement kläre der Vorstand der Kammer über Desinformationen auf, wie der Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) sie verbreiten würde, so der Vizepräsident weiter. Auch die Forderungen des Verbandes der Ersatzkassen (vdek) e. V. für die psychotherapeutische Versorgung prüfe man intensiv. Falschaussagen beispielsweise zu Wartezeiten oder zur Wirtschaftlichkeit der Arbeit von Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten müssten auf Basis realistischer Daten richtiggestellt werden, versicherte Andreas Pichler.

Komplexversorgung von Menschen mit schweren psychischen Störungen

Barbara Lubisch stellte die Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) über die berufsgruppenübergreifende, koordinierte und strukturierte Versorgung insbesondere für schwer psychisch kranke Versicherte mit komplexem psychiatrischen oder psychotherapeutischen Behandlungsbedarf (KSVPsych-RL) vor. In die Entwicklung eines auf Kooperationen gründenden Versorgungskonzepts für schwer psychisch kranke Menschen sollten die positiven Erfahrungen aus einem 2017 angelaufenen Netzwerk zur neurologisch-psychiatrischen und psychotherapeutischen Versorgung (NPPV) der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein einfließen. In der zunächst für Erwachsene entwickelten Richtlinie sei von der erfolgreichen Blaupause jedoch enttäuschend wenig wiederzufinden, konstatierte Barbara Lubisch. Insgesamt seien die Anforderungen an die Netzverbünde hoch. Die Kammer habe in einer Resolution weitere Kritikpunkte formuliert. Als Problem sehe man beispielsweise, dass nur Kolleginnen und Kollegen mit einem vollen Versorgungsauftrag als Bezugstherapeutin bzw. Bezugstherapeut zugelassen seien. Scharf kritisiere man auch, dass gemäß Richtlinie die Differentialdiagnostik durch Ärztinnen und Ärzte der „P-Berufsgruppen“ erfolgen muss, obwohl diese auch Teil der Leistungsbeschreibung der Psychotherapeutischen Sprechstunde sei. Ein weiteres schwieriges Thema seien Vergütungsfragen.

Viele Probleme der Richtlinie würden von der Politik gesehen, erklärte Barbara Lubisch. Man erlebe aber auch hier, dass in den Entscheidungsgremien die Interessen der Kostenträger viel wiegen. Derzeit arbeite der G-BA an einer vergleichbaren Richtlinie für Kinder und Jugendliche. Die Fehler in den Regelungen für Erwachsene sollen darin vermieden werden, so die Forderung der Profession. In der Diskussion zum Themenschwerpunkt „Komplexversorgung“ bedauerten mehrere Kammermitglieder, dass mit der Richtlinie wenig Wertschätzung für die anspruchsvolle psychotherapeutische Arbeit mit schwer psychisch kranken Menschen gezeigt würde. Barbara Lubisch bestätigte, dass die Profession mit den aktuellen Regelungen nicht zufrieden sein könne. Losgelöst davon eröffne die Mitwirkung in Netzverbünden allerdings die Möglichkeit, die Kooperation mit weiteren an der Versorgung beteiligten Berufsgruppen zu verbessern und die Verbesserungsnotwendigkeiten von innen heraus aufzeigen zu können.

Digitalisierung in der Psychotherapie

Zum dritten Schwerpunkt „Digitalisierung in der Psychotherapie“ skizzierten Andreas Pichler und Barbara Lubisch zentrale Arbeitsfelder und Positionen der Kammer. Andreas Pichler hielt fest, dass man gegen die geplante „opt out“-Variante bei der Sekundärnutzung von Daten zu Forschungszwecken aus der elektronische Patientenakte (ePA) sei – die „opt-in“ – Lösung sei klar vorzuziehen. Weitere Datenschutzfragen seien relevant, insbesondere auch angesichts der Bestrebungen der Politik, einen europäischen Gesundheitsdatenraum einzurichten. Barbara Lubisch kam auf Videobehandlungen in der Psychotherapie zu sprechen. Während der Coronapandemie hätten sie großen Aufschwung erfahren. Mit der Zeit hätten Patientinnen und Patienten jedoch zurückgemeldet, dass sie wieder in die Praxis kommen möchten. Für die Profession sei der Kontakt von Angesicht zu Angesicht weiterhin der Goldstandard in der Psychotherapie. Abgesehen davon, dass Leistungen wie probatorische Sitzungen nicht per Video erbracht werden dürfen, sei diese Form auch keine Möglichkeit, Versorgungsdefizite beispielsweise in ländlichen Regionen auszugleichen; Krisensitzungen im persönlichen Kontakt müssten möglich sein. Die Einsatzmöglichkeiten von Videobehandlungen müssten von der Profession differenziert geprüft werden. Des Weiteren fasste Barbara Lubisch die Kritikpunkte an Digitalen Gesundheitsanwendungen, kurz DiGA, zusammen. So sei beispielsweise unhaltbar, dass die Gesundheits-Apps trotz fehlender Wirksamkeitsnachweise eine vorläufige Zulassung erhielten und verschrieben werden dürften. Generell sollte der Einsatz jeder DiGA mit psychotherapeutischem Bezug fachlich begleitet werden. Ein dritter zentraler Aufgabenbereich sei das umfassende Querschnittsthema Datenschutz. Der Vorstand sei zu allen Themen der digitalen Agenda  auf mehreren Ebenen aktiv.

Aufruf zu Engagement und Beteiligung

Barbara Lubisch wies abschließend darauf hin, dass die Weiterbildungsordnung für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten der Psychotherapeutenkammer Nordrhein-Westfalen in Kraft sei. Für die Umsetzung bräuchte es Weiterbildungsbefugte aus den eigenen Reihen. Interessierte fänden auf der Homepage Informationen und Antragsformulare. Derzeit seien noch nicht alle Aspekte zur Weiterbildung geklärt. Die Kammer werde über die weitere Entwicklung informieren und bei Fragen gerne Auskunft geben. Andreas Pichler bedankte sich in seinem Schlusswort für den gelungenen, lebendigen Austausch. Im Ausblick machte er auf die Kammerwahlen im Sommer 2024 aufmerksam. Der Vorstand rufe die Kammermitglieder auf, ihr Wahlrecht wahrzunehmen. Eine große Beteiligung stärke allen den Rücken und verdeutliche, dass der Berufsstand seine Interessen engagiert vertritt.

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