Neue PPP-Richtlinie sieht zu wenig Zeit für Psychotherapie in der Klinik vor

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat am 16. September 2021 über die Umsetzung des gesetzlichen Auftrags zu den Mindestanforderungen für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten (§ 136a Absatz 2 Satz 9 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch/SGB V) in der Richtlinie für Personalausstattung, Psychiatrie und Psychosomatik (PPP-Richtlinie) entschieden.

„Der Auftrag des Gesetzgebers verfolgt ausdrücklich das Ziel, dass die Psychotherapie entsprechend ihrer Bedeutung in der Versorgung psychisch und psychosomatisch Erkrankter abgebildet werden soll“, sagt Gerd Höhner, Präsident der Psychotherapeutenkammer NRW. „Dies kann nur erreicht werden, wenn die Minutenwerte für Psychotherapie erhöht werden. Nun hat der G-BA jedoch mit der neuen Richtlinie die Fortführung der bisherigen Minutenwerte beschlossen. Zwar verfügt das Gremium bei der Umsetzung gesetzlicher Regelungen über einen fachlichen Spielraum. Gänzlich auf eine Erhöhung der Minutenwerte zu verzichten, kommt aus unserer Sicht jedoch einer Nichterfüllung des gesetzlichen Auftrags gleich.“

Die aktuelle Richtlinie sieht zum Beispiel vor, dass eine Patientin oder ein Patient durchschnittlich 50 Minuten Einzelpsychotherapie in der Woche erhalten kann. Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) und die Bundesärztekammer (BÄK) hatten in die Beratungen zur Umsetzung der Mindestvorgaben für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten einen Vorschlag zur Erhöhung der Personalressourcen der psychotherapeutischen und ärztlichen Berufsgruppe eingebracht, demzufolge mindestens 75 bis 100 Minuten Einzeltherapie pro Patientin und Patient und Woche vorgehalten würden – abgesehen von den Intensivbehandlungsbereichen in der Sucht- und Gerontopsychiatrie. „Dies entspricht aus unserer Sicht dem Mindestbedarf für eine leitlinienorientierte Psychotherapie im engeren Sinne, das heißt für heilkundliche Psychotherapie, die von Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten erbracht wird“, erläutert Gerd Höhner. 

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) hatten den Vorschlag mit einem Verweis auf fehlende Daten aus den Nachweisen zur aktuellen Personalausstattung nicht übernommen. Die ersten Daten aus den Nachweisen sollen jedoch Anfang 2022 vorliegen. „Es ist aus unserer Sicht nicht vertretbar, die zwingend erforderliche Erhöhung der Personalvorgaben zur Stärkung der Psychotherapie auf diese Weise weiter aufzuschieben – weder den Patientinnen und Patienten noch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Kliniken gegenüber“, konstatiert der Kammerpräsident. „Wir haben uns hierzu bereits in einem Schreiben an den nordrhein-westfälischen Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann gewendet. Darin appellieren wir an ihn, sich gegenüber dem Bundesministerium für Gesundheit dafür auszusprechen, dass der G-BA-Beschluss nur mit der Auflage genehmigt wird, dass die Minutenwerte in der Richtlinie kurzfristig erhöht werden. Denn Patientinnen und Patienten einer psychiatrischen Klinik brauchen mehr als 50 Minuten Psychotherapie pro Woche – sie benötigen eine intensive, engmaschige, umfassende psychotherapeutische Behandlung.“

Hintergrund

Seit der Verabschiedung der Psychiatrie-Personalverordnung (Psych-PV) vor über 30 Jahren ist die Psychotherapie zu einem der wichtigsten Behandlungsmittel bei psychischen Erkrankungen geworden und wird in allen Leitlinien mit hohen Empfehlungsgraden angeraten. Bei der Ablösung der Psych-PV durch die PPP-Richtlinie wurde deshalb von allen beteiligten Expertinnen und Experten eine substanzielle Erhöhung der psychotherapeutischen Behandlungs- und Personalkapazitäten für zwingend erforderlich gehalten. Diese Anpassung ist in der Erstfassung der PPP-Richtlinie jedoch nicht im erforderlichen Umfang erfolgt. Der G-BA hatte deshalb vom Gesetzgeber den Auftrag erhalten, die Richtlinie – ursprünglich bereits bis zum 1. Januar 2021 – um Mindestvorgaben für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten zu ergänzen.
 

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