Rückblick auf die Regionalversammlung für den Regierungsbezirk Düsseldorf am 15. März 2023

Der Vorstand der Psychotherapeutenkammer Nordrhein-Westfalen informiert die Kammerangehörigen in reihum in den Regierungsbezirken des Landes stattfindenden Regionalversammlungen über berufspolitische Aktivitäten des Vorstandes auf Landes- und Bundesebene. Darüber hinaus geben die Veranstaltungen den Teilnehmenden die Möglichkeit, mit Vorstandsmitgliedern sowie Kolleginnen und Kollegen in den direkten Austausch zu kommen. Inhaltliche Schwerpunkte der Regionalversammlung für den Regierungsbezirk Düsseldorf am 15. März 2023 waren die Position des Kammervorstandes zur psychotherapeutischen Versorgungsplanung in Nordrhein-Westfalen, Chancen und Herausforderungen der Komplexversorgung von Menschen mit schweren psychischen Störungen sowie aktuelle Entwicklungen der Digitalisierung in der Psychotherapie. Rund 60 Kammermitglieder hatten sich zu der in Präsenz in Neuss durchgeführten Veranstaltung angemeldet. Der Vorstand war durch den Kammerpräsidenten Gerd Höhner, den Vizepräsidenten Andreas Pichler sowie die Vorstandsmitglieder Barbara Lubisch und Bernhard Moors vertreten.

„Unsere Profession ist gefragt“

    Gerd Höhner  begrüßte die Teilnehmenden und regte in seiner Einführung an, als Kammermitglied vor Ort in der Kommunalen Gesundheitskonferenz mitzuarbeiten. Diese lokalen Gremien hätten in Nordrhein-Westfalen in unterschiedlicher Weise Mitspracherecht bei Versorgungsfragen. Der Vorstand habe daher beschlossen, sie offiziell mit Vertreterinnen und Vertretern der Kammer zu besetzen. Aus den Kommunalen Gesundheitskonferenzen erhalte der Vorstand viel Zustimmung für seine Initiative. „Je besser Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten eingebunden sind, desto gezielter könnten sie die Themen unserer Profession einbringen. Auch für die eigene Vernetzung ist ein Engagement von Vorteil“, betonte Gerd Höhner. Aktuell würden mancherorts bereits Kolleginnen und Kollegen in diesen Gremien mitwirken, allerdings oft in anderen Funktionen. Kammermitglieder mit Interesse daran, die Kammer in den Kommunalen Gesundheitskonferenzen zu vertreten, bat er, sich in der Geschäftsstelle zu melden.

    Gerd Höhner informierte auch zur Weiterbildungsordnung für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten der Psychotherapeutenkammer Nordrhein-Westfalen. Sie sei beschlossen und trete nach Veröffentlichung im Ministerialblatt für Nordrhein-Westfalen in Kraft. Ihre Umsetzung sei eine anspruchsvolle Aufgabe und werde die Kammer in den nächsten Jahren beschäftigen. Die Geschäftsstelle sei hierfür gut aufgestellt. Auf Bundesebene müsse man weiterhin intensiv daran arbeiten, die Finanzierung der ambulanten Weiterbildung zu regeln. Gerd Höhner betonte zudem, dass man für die Umsetzung der Weiterbildung mitunter bislang wenig begangene Wege einschlagen müsse. Dies gelte beispielsweise für den institutionellen Bereich. Der Vorstand sei derzeit mit vielen Beteiligten unter anderem aus der Jugendhilfe oder der psychosozialen Versorgung im Gespräch. „Wir erleben ein deutliches Interesse an psychotherapeutischen Angeboten über das enge Feld der Heilbehandlung hinaus und eine große Bereitschaft, die Weiterbildung in entsprechenden Einrichtungen zu ermöglichen“, bilanzierte er. „Ich bin sicher, dass wir zu guten Lösungen kommen werden.“ Angesichts der steigenden Nachfrage auch nach Angeboten für Kinder und Jugendliche werde der Handlungsbedarf zur Verbesserung der psychotherapeutischen Versorgung mittlerweile auch in der Politik gesehen. Der Vorstand habe schon früh sehr deutlich gemacht, dass gerade junge Menschen durch die Corona-Pandemie große psychische Belastungen erfahren hätten, die erst mit der Zeit offensichtlich würden. Im Zuge der nun anlaufenden Aktivitäten zur Verbesserung der Situation kämen das Gesundheitsministerium des Landes und der Landtag auf die Profession zu. 

    Psychotherapeutische Versorgungsplanung in Nordrhein-Westfalen

    In seinen Ausführungen zur psychotherapeutischen Versorgung in Nordrhein-Westfalen wies der Kammerpräsident darauf hin, dass der Gesetzgeber 1999 die vorhandene, wenn auch bekannterweise nicht bedarfsgerechte Zahl an Psychologischen Psychotherapeutinnen und Psychologischen Psychotherapeutinnen sowie Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen und Kinder- und Jugendlickenpsychotherapeuten schlichtweg zum „Soll“ erklärt habe. Die seitdem erheblich gestiegene Nachfrage nach Psychotherapie habe den historisch begründeten Mangel verstärkt. Zudem erlebe man von verschiedenen Seiten die Tendenz, psychotherapeutische Leistungen zu bagatellisieren und falsch darzustellen. Beispielsweise werde noch immer behauptet, Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten würden nur leichte Fälle behandeln. „Werden solche Desinformationen ausreichend verbreitet, zeigt dies leider Wirkung, zum Beispiel indem die Medien sie aufgreifen“, so Gerd Höhner. „Wir entkräften und widerlegen die Vorurteile gegen unsere Profession. Diese Diskussionen sind schwer zu führen und nehmen an Wucht nicht ab. Aber auch wir werden nicht nachlassen.“

    Versorgung schwer psychisch kranker Menschen

      Barbara Lubisch  aus dem Vorstand der Kammer befasste sich in ihrem Vortrag mit der psychotherapeutischen Versorgung von Menschen mit schweren psychischen Störungen im Rahmen der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) über die berufsgruppenübergreifende, koordinierte und strukturierte Versorgung insbesondere für schwer psychisch kranke Versicherte mit komplexem psychiatrischen oder psychotherapeutischen Behandlungsbedarf (KSVPsych-RL). Eine adäquate Versorgung dieser Patientinnen und Patienten erfordere zahlreiche Kooperations- und Koordinationsleistungen. Wichtiger als weitere zusätzliche Dienste sei daher der Ausbau der berufsübergreifenden Zusammenarbeit. Das von der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein mit einem Partner für Logistik und Software konzipierte und 2017 gestartete Netzwerk zur neurologisch-psychiatrischen und psychotherapeutischen Versorgung (NPPV) beschrieb sie als hierfür wegweisendes Projekt. Die darin umgesetzte berufsgruppenübergreifende Kooperation habe sich als förderlich für die Behandlung schwer psychisch kranker Menschen erwiesen, das Netzwerk sei grundsätzlich positiv bewertet worden und habe den bundesweiten Ansatz zur „Komplexversorgung“ mit beeinflusst. Die schließlich verabschiedete G-BA-Richtlinie sei allerdings bloß ein an die erfolgreiche Blaupause angelehntes „geschrumpftes“ Modell.

      Kritisch betrachte man unter anderem, dass gemäß Richtlinie die Differentialdiagnostik durch Ärztinnen und Ärzte der „P-Berufsgruppen“ erfolgen muss. Dies sei eine unnötige Hürde, erzeuge einen Engpass bei der Eingangsdiagnostik und sei berufspolitisch abzulehnen. Fachlich unangemessen sei, dass die Richtlinie verlange, Koordinierungsleistungen zu delegieren. Insgesamt würden sich den Netzverbünden hohe Anforderungen stellen, die der praktischen Umsetzung im Wege stünden, analysierte Barbara Lubisch. Dazu gehöre, dass nur Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten mit ganzem Versorgungsauftrag die zentrale Rolle der Bezugstherapeutin bzw. des Bezugstherapeuten übernehmen können, wofür keine Begründung abgegeben worden sei. Angesichts vieler geteilter Sitze schließe dies zahlreiche Praxen per se aus. Auch die Regelungen zur fachlichen Zusammensetzung der Verbünde seien grundsätzlich sinnvoll, aber vielerorts ein Hemmschuh. Beispielsweise seien zu beteiligende Berufsgruppen in einigen Regionen in zu geringer Zahl vertreten. Weitere Mängel sehe man darin, dass keine zusätzlichen psychotherapeutischen Angebote wie niederschwellige Gruppen ermöglicht werden. Zudem werde der Aufwand unzureichend refinanziert. 

      Barbara Lubisch bekräftigte, die Profession wolle sich in der Versorgung von schwer psychisch kranken Menschen mit komplexem Behandlungsbedarf engagieren. Allerdings müssten die Rahmenbedingungen anders gestaltet werden. Die bisherige Evaluation bestätige, dass die Netzverbünde nicht ans Laufen kämen – derzeit seien bundesweit nur drei anerkannt. Umso mehr käme es darauf an, die Probleme der Richtlinie für Erwachsene in der sich in Arbeit befindlichen Richtlinie für die Versorgung von Kindern und Jugendliche mit komplexem Behandlungsbedarf zu vermeiden.

      Aktuelle Entwicklungen der Digitalisierung im Gesundheitswesen

        Vorstandsmitglied Bernhard Moors  stellte in seinem Referat für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten relevante Aspekte im Zusammenhang mit der Digitalisierung im Gesundheitswesen dar. Als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut hadere er zurzeit in mehrfacher Hinsicht mit der vom Gesetzgeber in großem Tempo vorangetriebenen Digitalisierung. Die aktuellen Versorgungsprobleme, die vielfachen Belastungen von Kindern und Jugendlichen in herausfordernden Zeiten sowie die große Nachfrage nach psychotherapeutischen Angeboten ließen sich auf diese Weise nicht lösen. Noch dazu vermisse man im Vorstand der Psychotherapeutenkammer Nordrhein-Westfalen konkrete Aussagen der Politik zu grundlegenden Fragen wie Datenschutz oder Schweigepflicht.

        Ein zentraler Bereich der Digitalisierungsstrategie des Bundes sei der Ausbau der Telematikinfrastruktur (TI). Bislang bringe die „Datenautobahn im Gesundheitswesen“ der Profession wenig Nutzen, aber angesichts ihrer großen Fehleranfälligkeit viel Arbeit und Ärger, monierte Bernhard Moors. Anwendungen wie die elektronische Patientenakte (ePA) seien in weiten Teilen eine „black box“ und es werde viel über grundlegende Aspekte wie Zugriffs- und Leserechte diskutiert. Der aktuelle Stand bei der TI-Umsetzung ließe auch daran zweifeln, dass der von der Europäischen Union geplante gemeinsame europäische Gesundheitsdatenraum (EHDS) funktionieren werde. Grundsätzlich lehne man die Digitalisierung und die damit verbundenen Entwicklungen aber nicht ab, unterstrich Bernard Moors. Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten seien Teil des versorgenden Systems, alle seien miteinander vernetzt und an der Digitalisierung beteiligt. Die Profession trete jedoch dafür ein, dass neue Entwicklungen sicher und zukunftsfähig gestaltet werden.

        Bezüglich Videobehandlungen und dem Einsatz des Internets in der Psychotherapie sei der persönliche Kontakt weiterhin der Goldstandard der Behandlung, sagte Bernhard Moors. Für bestimmte Patientinnen und Patienten in besonderen (Lebens-)Situationen könne Psychotherapie im Rahmen von Videosprechstunden eine sinnvolle Ergänzung sein. Sie sei jedoch kein Mittel zur Bewältigung von Versorgungsmängeln. Die Profession sei gefordert, die Rahmenbedingungen für die Nutzung von Internetangeboten in der Psychotherapie mitzugestalten und die Qualität internetbasierter Behandlungsangebote zu sichern. Dies gelte auch für Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA). Hier sehe man unter anderem die mangelhafte Wirksamkeitsprüfung kritisch. Patientinnen und Patienten seien keine „Versuchskaninchen“ und unzureichend geprüfte Zulassungen von DiGA nicht vertretbar. Als drittes großes Arbeitsfeld für die Kammer beim Thema „Digitalisierung in der Psychotherapie“ definierte er Datenschutz und Datensicherheit. Datenschutz und Vertraulichkeit seien die Basis des psychotherapeutischen Angebots. Abschließend beschrieb Bernhard Moors die Aktivitäten der Kammer im Kontext der Digitalisierung. Den Kammermitgliedern riet er, sich zu Digitalisierungsfragen fortzubilden. Ziel müsse sein, aktiv mitzuarbeiten und nicht in Pro und Contra zu denken, sondern sich möglichst mit der Gesamtheit der Aspekte auseinanderzusetzen.

        Abschluss

        Im Anschluss an die Fachvorträge brachten Teilnehmende Fragen und Kommentare ein. Gerd Höhner hielt in seinem Schlusswort fest. „Ich freue mich, dass wir Ihnen einen Einblick in einige der zentralen Themen geben konnten, mit denen die Kammer als Ihre berufliche Interessenvertretung derzeit intensiv befasst ist.“

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