Symposium „Klimaschutz ist Gesundheitsschutz! Gemeinsam handeln für körperliche und psychische Gesundheit“ am 30. Oktober 2025
Was hat Klimaschutz mit heilberuflichem Handeln zu tun? Mehr, als vielen bewusst ist. Denn dort, wo Menschen unter Hitze, Stress oder Angst leiden, ist Gesundheit längst zu einem Gradmesser der Klimakrise geworden. Genau diesen Zusammenhang stellte die Psychotherapeutenkammer Nordrhein-Westfalen am 30. Oktober 2025 in den Mittelpunkt ihres Symposiums „Klimaschutz ist Gesundheitsschutz! Gemeinsam handeln für körperliche und seelische Gesundheit“.
Rund 60 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Politik, Wissenschaft und Versorgung waren der Einladung in die Geschäftsstelle der Kammer in Düsseldorf gefolgt, um darüber zu diskutieren, welche Verantwortung das Gesundheitswesen im Kampf gegen die Klimakrise trägt – und welche Chancen in gemeinschaftlichem Handeln liegen. Das ganztägige Symposium war von der Kommission „Klimaschutz“ der Kammer konzeptionell maßgeblich mitgestaltet worden. Die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein (KVNO) begleitete die Veranstaltung als Kooperationspartnerin, die Ärztekammer Westfalen Lippe unterstützte als Medienpartnerin.
Gemeinsam Verantwortung tragen
In seiner Eröffnungsrede nahm Andreas Pichler, Präsident der Psychotherapeutenkammer Nordrhein-Westfalen, das Thema aus übergeordneter Perspektive in den Blick. Der Klimaschutz stehe heute mehr denn je unter Druck – durch globale Krisen, wirtschaftliche Unsicherheiten und gesellschaftliche Spannungen. Die daraus erwachsenden Aufgaben zählten jedoch zum Kern verantwortlicher Zukunftsgestaltung. „Klimaschutz ist Gesundheitsschutz – und damit eine Überlebensfrage für die Menschheit“, hielt Andreas Pichler fest. Die Folgen des Klimawandels beträfen Körper und Psyche gleichermaßen: steigende Krankheitslasten, veränderte Krankheitsbilder, zunehmende seelische Belastungen.
Gerade die Heilberufe, betonte der Kammerpräsident, seien hier in besonderer Verantwortung. Sie stünden in engem Kontakt mit Menschen, spürten Sorgen und Ängste unmittelbar und könnten durch Aufklärung, Beratung und Vorbild Haltung zeigen. Doch den Klimaschutz könne das Gesundheitswesen nicht allein schultern – er betreffe Politik, Verwaltung, Wirtschaft und jede und jeden Einzelnen. Nur mit einem starken Wir könne die Transformation hin zu einer klimaschützenden und klimaresilienten Gesellschaft gelingen. Das Symposium, so Andreas Pichler, solle genau dafür ein Zeichen setzen: für Dialog, Mut und gemeinsames Handeln. Die Kammer verstehe ihr Engagement für Klima- und Gesundheitsschutz als Teil ihres ethischen Auftrags – und setze es Schritt für Schritt um.
Klimapolitik als Gesundheitsstrategie
Wie stark Klimapolitik, Gesundheitspolitik und gesellschaftliche Stabilität miteinander verknüpft sind, verdeutlichte Gerhard Herrmann, Leiter der Abteilung „Gesundheitsversorgung, Krankenversicherung” des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen (MAGS NRW), in seinem Grußwort. Er betonte, dass der menschengemachte Klimawandel keine abstrakte Bedrohung, sondern längst zur Realität geworden sei – spürbar in Hitzewellen, Extremwetter und den psychischen Belastungen einer durch Krisen verunsicherten Gesellschaft. Mit der Landesstrategie zur Klimaanpassung setze NRW darum deutliche Akzente beim Hitzeschutz, verankere Klimaschutz im neuen Gesetz über den öffentlichen Gesundheitsdienst des Landes Nordrhein-Westfalen (ÖGDG NRW) und fördere die Zusammenarbeit unterschiedlicher Institutionen. Gesundheitsschutz, so hielt Gerhard Herrmann fest, sei Daseinsvorsorge – und Klimapolitik ihre Basis.
Klimaveränderungen und ihre gesundheitlichen Folgen
Fernsehmeteorologe Karsten Schwanke führte eindrucksvoll vor Augen, wie schnell sich die Erderwärmung beschleunigt. 2024 sei das 1,5-Grad-Limit bereits überschritten, Extremwetterereignisse nähmen rasant zu – auch in Nordrhein-Westfalen. Seine Beispiele aus dem Ahrtal (Hochwasser 2021), Bedburg (Überflutung 2025) und Valencia (Überschwemmungen 2024) machten deutlich, dass historische Wahrscheinlichkeiten nicht mehr gelten. Karsten Schwanke sprach von einer Wahrnehmungslücke: „Ein Grad klingt harmlos – aber es verändert alles.“ Seine Botschaft: Wenn Wetterextreme zum Alltag werden, verändern sich auch Angst, Belastung und Bewältigung – Themen, die zunehmend in therapeutischen Kontexten an Bedeutung gewinnen.
Klimawandel und Klimaschutz: Folgen für die ambulante ärztliche Versorgung
Dass die Klimaveränderungen längst den medizinischen Alltag erreicht haben, schilderte Dr. Benedikt Zumbé, niedergelassener Hausarzt in Nettersheim. Hitzeperioden, veränderte Infektionsmuster, Medikamentenwirkungen – all das sei bereits Realität. Der Allgemeinmediziner plädierte für „konkreten Klimaschutz im Kleinen“: durch Digitalisierung, Müllvermeidung, bewusste Medikamentenwahl oder das sensible Ansprechen klimabelastender Aerosolpräparate. Gesundheit und Nachhaltigkeit, so seine Erfahrung, ließen sich im Praxisalltag gut verbinden.
Klimaschutz in der stationären Versorgung: Konzepte und Möglichkeiten
Wie aus Verantwortung Handlung wird, zeigte Dr. Anne Hübner, Fachärztin für Anästhesie und Intensivmedizin und als Klimamanagerin in der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG) [externer Link] engagiert. In ihrem Vortrag erinnerte sie daran, dass rund sechs Prozent der deutschen Treibhausgasemissionen aus dem Gesundheitswesen stammen – mehr als aus dem Flugverkehr. Doch die Transformation sei im Gange: Mit Projekten wie „KLIK Green“ [externer Link] und dem Kompetenzzentrum KliMeG [externer Link] würden konkrete Strategien entstehen, um Krankenhäuser und Praxen nachhaltiger zu gestalten. Energieeffizienz, klimasensible Beschaffung, pflanzenbasierte Ernährung oder die klimabewusste Verordnung von Medikamenten – all das spare Emissionen und Kosten. „Wir haben den sozialen Kipppunkt erreicht“, so Dr. Anne Hübner, „Nachhaltigkeit wird zum Normalfall.“
Klimawandel und Kindergesundheit
PD Dr. Dirk Holzinger, Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin sowie Oberarzt der Pädiatrischen Rheumatologie und Immunologie am Universitätsklinikum Essen, lenkte den Blick auf Kinder und Jugendliche, die besonders unter den Folgen des Klimawandels leiden würden. Hitze, Allergien, Luftverschmutzung und psychische Belastungen träfen sie überproportional. Auch sozial schwächere Familien hätten oft kaum Möglichkeiten, sich anzupassen – etwa durch größere Wohnungen oder kühlere Rückzugsräume. Seine Forderung: „Gesundheitsschutz heißt auch Generationenschutz.“.
Klimaresilienz von Kindern und Jugendlichen stärken
Prof. Dr. Silvia Schneider, Professorin für Klinische Kinder- und Jugendpsychologie an der Ruhr-Universität Bochum und Direktorin des Forschungs- und Behandlungszentrums (FBZ) für psychische Gesundheit der Hochschule, erläuterte faktenreich, dass Kindheit und Jugend sich als besonders vulnerable Zeit für die Entwicklung psychischer Störungen erweisen würden. Sorgen und Belastungen im Zusammenhang mit der Klimakrise, von denen junge Menschen zunehmend berichten würden, seien ein bedeutender Risikofaktor in diesem sensiblen Entwicklungsfenster. Entsprechend dringlich sei die Aufgabe, psychische Gesundheit und Klimaresilienz bei jungen Menschen zu stärken, betonte Prof. Silvia Schneider. Dies erfordere den Schulterschluss von Wissenschaft, Praxis und Politik und die übergreifende Zusammenarbeit vieler Disziplinen. Es brauche wissenschaftlich fundierte, ganzheitliche und nachhaltige Konzepte sowie mehr fokussierte Forschung.
Als einen Ansatz, die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen zu stärken, stellte die Sprecherin des Bochumer Standorts des Deutschen Zentrums für Psychische Gesundheit (DZPG) das an der Ruhr-Universität beheimatete Projekt „Urban Mental Health” vor. Es gründe auf einer Koalition von Wissenschaft und Praxis; die Psychotherapeutenkammer sei Mitglied der Steuerungsgruppe. Ziel des seit zwei Jahren in Bochum-Wattenscheid umgesetzten Projekts sei es, jungen Menschen über maßgeschneiderte primärpräventive Maßnahmen in ihren Lebenswelten „Health Literacy“ und positive Psychologie zu vermitteln. Konzeptionell und mithilfe von Kooperationen sollen zukünftig Aspekte zur Förderung der Klimaresilienz vermehrt eingebunden werden.
Auswirkungen des Klimawandels auf die psychische Gesundheit
Katharina van Bronswijk thematisierte Auswirkungen des Klimawandels auf die psychische Gesundheit und daraus resultierende Anforderungen in der Versorgung. Die Psychologische Psychotherapeutin und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin führt eine Praxis in Berlin und ist Sprecherin der Psychologists/Psychotherapists for Future e. V. (Psy4F) [externer Link]. Einleitend beschrieb sie, dass Vorkommnisse wie Extremwetter oder Hitze die Menschen auf allen Ebenen beeinflussen würden. Die wenigsten entwickelten jedoch aufgrund des Klimawandels eigenständige psychische Störungen. Die Forschung befasse sich daher damit, mehr über vulnerable Gruppen und wirksame Regulationsmechanismen zu erfahren. Erste Ergebnisse ließen erkennen, dass es für den Umgang mit Klimabelastungen hilfreich sei, Aktivität mit Selbstfürsorge und Trauerarbeit über den Verlust der intakten Umwelt auszubalancieren. Ein Studienreview würde die Bedeutung sinnorientierter Coping-Strategien und die Entwicklung sinnstiftender Narrative unterstreichen.
Grundsätzlich brauche es Räume, in denen Menschen Resonanz erleben und Emotionen im Zusammenhang mit Klimathemen verarbeiten können, hielt Katharina van Bronswijk fest. Hierfür müsse man über die psychotherapeutische Praxis hinausdenken und neue Konzepte entwickeln. Für die Versorgung nach kritischen Ereignissen sei eine gut ausgebaute psychosoziale Notfallversorgung essentiell. Um Prävention und Resilienzförderung im Kontext des Klimawandels zu intensivieren, brauche es ein berufsgruppenübergreifendes Vorgehen.
Auswirkungen des Klimawandels auf den Arbeitsschutz
Was bedeutet der Klimawandel für den Arbeitsschutz? Antworten auf diese Frage gab Dr. Stefanie Bühn, Referentin im Referat Gesundheitliche Auswirkungen des Wandels der Arbeit, Arbeitsstätten, Digitale Transformation des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) und Referentin Klimawandel und Gesundheitsschutz bei der Berufsgenossenschaft Energie Textil Elektro Medienerzeugnisse (BG ETEM). Sie stellte dar, dass in Erhebungen 60 Prozent der befragten Beschäftigten angeben würden, an ihrem Arbeitsplatz Auswirkungen des Klimawandels zu spüren, beispielsweise infolge von Hitze. Häufig würden auch psychische Belastungen genannt.
Um die Risiken für mit dem Klimawandel einhergehende Belastungen zu verringern, sei eine zeitgemäße Verhältnis- und Verhaltensprävention in den Unternehmen notwendig, unterstrich Dr. Stefanie Bühn. Hierbei könne die aktive Beteiligung der Beschäftigten an den Maßnahmen ihre Selbstwirksamkeit stärken und resiliente Unternehmensstrukturen fördern. Zudem sei es unverzichtbar, sich zu den Themen Klima und Arbeitsschutz zu vernetzen.
Klimaanpassung in Unternehmen in NRW
Dr. Heike Seitz, Leiterin Betriebliche Klimaanpassung im Netzwerk Klimananpassung & Unternehmen.NRW (NKU) [externer Link], stellte Handlungsstrategien und Perspektiven zur betrieblichen Klimaanpassung vor. Das im Auftrag des Ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalens (MUNV NRW) gegründete Netzwerk biete verschiedene Hilfestellungen, um nordrhein-westfälische Unternehmen dabei zu unterstützen, sich auf die Folgen des Klimawandels vorzubereiten und ihre betriebliche Resilienz zu stärken. Unternehmen könnten beispielsweise Checklisten nutzen, um ihre eigene Betroffenheit durch Klimaveränderungen zu prüfen und aus den Ergebnissen Maßnahmen abzuleiten.
Anhand praktischer Beispiele schilderte Dr. Heike Seitz, wie betriebliche Anpassungen an Klimaveränderungen und Klimafolgen aussehen können. Abschließend wies sie auf Unterstützungsmöglichkeiten hin. Sowohl der Fördernavigator als auch die weiteren Angebote des Netzwerkes seien auf der NKU-Homepage [externer Link] zu finden.
„Das heutige Symposium ist ein Auftakt”
Der Vorstand betrachte die Diskussion zu dem Thema „Klimaschutz ist Gesundheitsschutz!” als Auftakt, resümierte Andreas Pichler. „Wir werden hierzu weiter vorangehen. Zum einen möchten wir unseren Kammermitgliedern praxisnahe Informationen für ihre berufliche Tätigkeit an die Hand geben. Zum anderen sehen wir es als unsere Aufgabe, das Thema im Kontakt mit allen Akteurinnen und Akteuren wachzuhalten und unsere Expertise bei der Entwicklung von Konzepten einzubringen.“
Abschließend dankte der Kammerpräsident allen Beteiligten für ihre Beiträge und ihre Aufmerksamkeit. Ausdrücklichen Dank richtete er an die Kommission „Klimaschutz“ der Kammer. Ihr Vordenken und ihre konzeptionelle Mitgestaltung seien wesentlich für die Umsetzung des weitgreifenden Symposiums gewesen.









































