Rückblick auf die 3. Sitzung der 6. Kammerversammlung am 10. Mai 2025
Am 10. Mai 2025 kam die 6. Kammerversammlung der Psychotherapeutenkammer Nordrhein-Westfalen in Dortmund zu ihrer 3. Sitzung zusammen.
Kammerpräsident Andreas Pichler begrüßte die Anwesenden, darunter als Gäste Ministerialrätin Helene Hamm aus dem für Kammeraufsicht und Heilberufe mit Approbation zuständigen Referat des Ministeriums für Arbeit, Gesundes und Soziales Nordrhein-Westfalen (MAGS NRW), die PiA-Vertretung NRW (Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten in Ausbildung) und die Vertreterin der Psychologie Fachschaften Konferenz (PsyFaKo).
Der PsyFaKo dankte Andreas Pichler nachdrücklich für das fortwährende, öffentliche Engagement im Kampf um die noch offenen Regelungen zur Finanzierung der Weiterbildung zur Fachpsychotherapeutin bzw. zum Fachpsychotherapeuten. Dieses Engagement der Studierenden sei für die Sache und den Berufsstand sehr wertvoll und verdiene große Anerkennung.
Nachrufe
Zu Beginn ihrer Sitzung würdigten die Kammerversammlungsmitglieder zwei verstorbene Kollegen und eine verstorbene Kollegin. Andreas Pichler sprach einen Nachruf auf Bernhard Moors (Juni 1955 – Dezember 2024) und Dorothea Dewald (Oktober 1952 – Januar 2025). Julia Leithäuser, Vizepräsidentin der Kammer, erinnerte an Dr. Karl Stricker (März 1959 – Januar 2025). Für die Fraktion Bündnis KJP richtete der Vorsitzende Oliver Staniszewski einen letzten Gruß an Bernhard Moors. Die Verstorbenen waren Gründungsmitglieder der beruflichen Selbstverwaltung und über viele Jahre hinweg in der Kammerversammlung und in weiteren Gremien der Kammer aktiv. Für ihr Engagement gebühre ihnen großer Dank, betonte Andreas Pichler. Gemeinsam wurde Bernhard Moors, Dr. Karl Stricker und Dorothea Dewald in einer Schweigeminute gedacht.
Bericht des Vorstands
Dem mündlichen Vorstandsbericht stellte Andreas Pichler die Anmerkung voraus, dass die politisch bewegten Zeiten wohlvertraute Orientierungen durcheinanderbringen würden. Auch die Zusammensetzung des neuen Bundestages sei für viele mit Unruhe verbunden. Nicht wenige der sich anbahnenden Entscheidungen würden den Berufsstand direkt berühren. Er sei daher angehalten, sich fachlich, gesundheitspolitisch und mit Blick auf die Grundwerte der Demokratie einzubringen. Es gehe der Profession nahe, wenn politische Richtungen aufstreben wollen, die in Ton und Inhalt dem humanistisch geprägten Menschenbild eines akademischen Heilberufs entgegenlaufen, fuhr der Kammerpräsident fort. Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten stünden ein für eine Gesellschaft, in der die Menschenwürde zählt und individuelle Entfaltung und ein gesundes Aufwachsen möglich sind. In diesem Sinne schließe sich die Profession dem Appell der jüngst verstorbenen Margot Friedländer an: „Seid Menschen.“
Im Folgenden ging Andreas Pichler zunächst auf den Koalitionsvertrag der Regierungsparteien CDU/CSU und SPD ein. Vieles darin sei im Sinne der Profession. So hätten eine separate Bedarfsplanung für die Versorgung von Kindern und Jugendlichen, die Stärkung der psychotherapeutischen Versorgung auf dem Land und die Finanzierung der Weiterbildung ihren Weg in den Vertrag gefunden. Weitere Vorhaben der Politik wie die Stärkung der Notfallversorgung durch Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten, Bürokratieabbau und Kinder- und Jugendschutz in der digitalen Welt bewerte man positiv. Einige Inhalte im Koalitionsvertrag betrachte der Berufsstand allerdings kritisch. Hierzu zähle z. B. eine Anpassung der Vergütungsstrukturen im Zusammenhang mit Fragen von Über- und Unterversorgung. Besonders wachsam müsse die Einführung eines Primärarztsystems in der ambulanten Versorgung im Blick bleiben, betonte der Kammerpräsident. Der Vorstand habe sich bereits an den nordrhein-westfälischen Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann gewandt und eindringlich die Notwendigkeit eines niedrigschwelligen, direkten Zugangs zur psychotherapeutischen Versorgung dargestellt. Als Fazit hielt Andres Pichler fest, dass ein eigener Abschnitt „Psychotherapie“ im Koalitionspapier die Wertschätzung für das Fach zeige. Es sei zu hoffen, dass die Politik ihre Absichten nun tatkräftig umsetze. Insbesondere die Finanzierung der Weiterbildung und die Bedarfsplanung würden keinen Aufschub dulden. Der Berufsstand werde die Aktivitäten der Politik konstruktiv und engagiert begleiten und seine Expertise einbringen.
Vorstandsmitglied Georg Schäfer informierte zur Umsetzung der Fachgebietsweiterbildung für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten in Nordrhein-Westfalen. Die aktuelle Zahl der bereits genehmigten Weiterbildungsplätze decke nominell die zu erwartende Nachfrage 2025. Ohne Finanzierung werde jedoch ein Großteil der Weiterbildungsstätten vermutlich zunächst keine Einstellungen vornehmen, erklärte Georg Schäfer. Bei der Antragstellung unterstütze die Kammer die Weiterbildungsstätten und -institute mit allen Kräften und mit Beratung bereits vor der Antragstellung. Eine positive Entwicklung im ambulanten Bereich sei die Änderung der Zulassungsverordnung für Ärzte (Ä-ZV) im Februar dieses Jahres. Sie ermögliche einen höheren Leistungsumfang für niedergelassene Praxen, die Weiterbildungsassistentinnen oder -assistenten einstellen. Den Antrag hierfür hatte das MAGS NRW in enger Abstimmung mit der Kammer in die Beratungen auf Bundesebene eingebracht. Der Vorstand danke dem Gesundheitsministerium für den Einbezug und das gute Zusammenwirken.
Bettina Meisel aus dem Vorstand der Kammer ging näher darauf ein, dass die Finanzierungsankündigung für die Weiterbildung im Koalitionsvertrag unter dem Vorbehalt stehe, dass keine Mehrkosten entstünden. Dies sei angesichts von Anteilen wie Theorie, Supervision, Selbsterfahrung und Anleitung aber unrealistisch. Aktuell könnten ohne Zusatzfinanzierung in keinem Bereich die geforderten Bedingungen für die Weiterbildung – etwa eine angemessene Vergütung und ausreichend Arbeitszeit für Weiterbildungsbestandteile wie Theorie und Supervision – gleichzeitig umgesetzt werden. Der Berufsstand habe dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) differenzierte Lösungsvorschläge hierzu vorgelegt. Man hoffe nun auf die Tatkraft der neuen Regierung. Gleichzeitig gelte es allerdings die Weiterbildung zügig voranzutreiben, betonte Bettina Meisel. Der dringende Bedarf für die zukünftige Versorgung dulde keinen Aufschub. Die Kammer adressiere dies auf Landes- und Bundesebene, begleite die Gesetzgebungsverfahren kritisch und binde PsyFaKo, PiA und PtW-Forum (Psychotherapeut*innen in Weiterbildung) in die Diskussionen ein.
Kammervizepräsidentin Julia Leithäuser berichtete zum Thema Gewalt gegen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten. Die Aktivitäten des vorherigen Vorstandes fortführend habe sie an dem 2. Runden Tisch „Gemeinsam gegen Gewalt und Diskriminierung“ im MAGS teilgenommen. Ferner stellte sie eine Initiative des MAGS und der Akteure im Gesundheitswesen in NRW gegen Rassismus, Diskriminierung und Gewalt vor.
Vorstandsmitglied Elisabeth Dallüge blickte auf die politische Forderung nach einem Register für Menschen mit psychischen Erkrankungen. Auch der Koalitionsvertrag der aktuellen Regierungsparteien beinhalte Hinweise auf ein solches Bestreben. Für derartige Register bestünde jedoch keine wissenschaftliche Evidenz hinsichtlich ihrer Wirksamkeit. Gewalt sei multifaktoriell begründet und „Frühwarnsysteme“ auf Basis einfacher Merkmale wie „psychische Auffälligkeit“ seien ungenau und unzuverlässig, konstatierte Elisabeth Dallüge. Ein Register für psychisch kranke Menschen berge zudem die Gefahr, dass Betroffene aus Angst vor Stigmatisierung keine Hilfe suchen würden. Erfolgreiche Gewaltprävention gelinge vielmehr durch effektive Prävention und frühzeitige, kontinuierliche Interventionen. Auch eine adäquate und zeitnah mögliche (psychotherapeutische) Behandlung sowie eine individualisierte Analyse mit anerkannten Instrumenten könnten zur Risikoreduktion beitragen. Zudem brauche es Fortbildungsangebote und eine stärkere Vernetzung im professionellen Helfersystem.
Mirka Münzebrock-Child aus dem Vorstand erläuterte den Sachstand bei den aktuellen und geplanten Digitalisierungsmaßnahmen der Kammer. Maßgeblich relevant seien Weiterentwicklungen und Neuerungen in der Verwaltung und der Mitgliederkommunikation, im Bereich Fortbildung sowie in der Gremienarbeit. Zentrale Projekte und Plänen seien u. a. ein elektronisches Dokumentenmanagement, ein Mitgliederportal über die jetzige Lösung hinaus und ein Akkreditierungsportal für den Fortbildungsbereich. Die Fachabteilung der Kammer arbeite kontinuierlich an der Weiterentwicklung und Optimierung der Abläufe sowie an der Planung und Umsetzung weiterer Digitalisierungsschritte. Auch ein möglicher Einsatz von Künstlicher Intelligenz werde ausgelotet, informierte Mirka Münzebrock-Child. In der Praxis zeige sich dabei häufig, dass die derzeitigen Nutzungsmöglichkeiten beispielsweise in datenschutzrechtlicher Hinsicht begrenzt seien.
Facettenreicher Austausch im Plenum
Jeweils im Anschluss eines Themenschwerpunktes tauschten sich die Kammerversammlungsmitglieder vertiefend hierzu aus. Zum Koalitionsvertrag wurde u. a. angemerkt, dass eine Anpassung der Vergütungsstrukturen nicht zu unangemessenen Einsparungen bei psychotherapeutischen Leistungen führen dürften. Hervorgehoben wurde, dass die Indikationshoheit für Psychotherapie in den Händen der Profession verbleiben müsse und mit der psychotherapeutischen Sprechstunde ein funktionierendes Steuerungsinstrument bestünde. In der Diskussion zur Weiterbildung wurde mehrfach daran appelliert, mit geeinter Stimme auf die Politik zuzugehen. An potenzielle Weiterbildungsstätten und -institute erging der Aufruf, den Antrag auf Zulassung nicht aufzuschieben. Die Prozesse würden ihre Zeit benötigen und man müsse jetzt handeln. Dem Vorstand wurde für die ausführliche Bearbeitung der verschiedenen Schwerpunkte gedankt. Auch in der Aussprache zum schriftlich vorgelegten Vorstandsbericht fand die umfassende Arbeit des Vorstandes in vielen Themenbereichen Anerkennung.
Qualitätssicherungsverfahren für die ambulante Psychotherapie – Erprobung in NRW
Die Kammerversammlung befasste sich auch mit dem Qualitätssicherungsverfahren (QS-Verfahren) zur ambulanten psychotherapeutischen Versorgung gesetzlich Krankenversicherter und dessen Erprobung in NRW. Andreas Pichler skizzierte die Vorstandsaktivitäten hierzu und berichtete, dass der Vorstand die Erfahrungen und die Expertise der Profession in der Landesarbeitsgemeinschaft Datengestützte und einrichtungsübergreifende Qualitätssicherung NRW (LAG DeQS NRW) einbringen werde. Hilfreiche Impulse für die berufspolitische Arbeit liefere ein Positionspapier der Kommission „QS-Erprobung NRW“ der Kammer. Grundsätzlich vertrete der Vorstand weiterhin der Meinung, dass das QS-Verfahren aus der Richtlinie zur datengestützten einrichtungsübergreifenden Qualitätssicherung (DeQS-Richtlinie) gestrichen werden müsse. Die Profession müsse sich aber auch damit auseinandersetzen, wie der Wunsch nach Qualitätssicherung in der ambulanten Versorgung nachvollziehbar und darstellbar beantwortet werden könne. Die Diskussionen hierzu finde auch im Austausch mit der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) statt.
Kommissionssprecher Martin Zange informierte über die Aktivitäten der Kommission. Ihre Mitglieder seien u. a. an den Treffen der Arbeitsgemeinschaften in den Kassenärztlichen Vereinigungen beteiligt und erhielten aktuelle Einblicke in den Sachstand der Erprobung. Martin Zange betonte, dass es in der Diskussion zur Erfassung der Qualität in der psychotherapeutischen ambulanten Versorgung nicht nur um Alternativen zum derzeit zu testenden Verfahren gehen dürfe. Es seien auch die zahlreichen von Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten bereits umgesetzten Maßnahmen herauszustellen. Die Kammerversammlungsmitglieder tauschten sich im Anschluss an die Ausführungen des Kammerpräsidenten und des Kommissionssprechers weiterführend zu diesem Thema aus.
Kammerbeitrag und Weiterbildung: Änderungen in den Ordnungen
Kammerpräsident Andreas Pichler stellte die Ein- und Ausgabensituation der Kammer dar. Dr. Georg Kremer, Vorsitzender des Finanzausschusses, verdeutlichte zudem die Notwendigkeit einer Anpassung der Beitragsordnung. Nach ausführlicher Diskussion hierzu beschloss die Kammerversammlung eine Anpassung der Beitragstabelle in der Beitragsordnung, um auch in Zukunft einen gedeckten Haushalt ausweisen und eine allgemeine Rücklage gemäß den Vorgaben der Haushalts- und Kassenordnung der Psychotherapeutenkammer Nordrhein-Westfalen vorhalten zu können. Zur Vereinfachung der Beitragsberechnung wurde eine Rundungsregelung eingeführt. Des Weiteren wurde eine Übergangsregelung für Sachverhalte geschaffen, die bereits vor der Änderung bestanden, deren Rechtsfolgen aber noch nicht eingetreten sind. Die Änderungen treten am 1. Januar 2026 in Kraft. Die Kammermitglieder werden über die Änderungen ausführlich und rechtzeitig zum Jahreswechsel informiert.
Für die Weiterbildungsordnung für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten der Psychotherapeutenkammer Nordrhein-Westfalen wurde die Abkürzung „WBO PT“ festgelegt. Zudem wurden Änderungen beschlossen, die auf Erleichterungen bei der Zulassung und Hinzuziehung von Supervisorinnen bzw. Supervisoren und Selbsterfahrungsleiterinnen bzw. Selbsterfahrungsleitern im Rahmen der Weiterbildung zielen.
Ergänzungswahlen für die Kammerausschüsse und zum Deutschen Psychotherapeutentag (DPT)
Bei den Ergänzungswahlen wurden Nicole Kaußen (Fraktion Bündnis KJP) und Claudia Melcher (Fraktion PsychotherapeutInnen OWL) als stellvertretende Mitglieder sowie Christian Gergaut (Fraktion Analytiker:innen/Psychodynamische Liste) als Mitglied im Ausschuss „Digitalisierung“ gewählt. Claudia Melcher wurde zudem als Mitglied im Ausschuss „Psychotherapie in der ambulanten Versorgung“ gewählt. Ingeborg Struck (Fraktion Analytiker:innen/Psychodynamische Liste) wurde neues Mitglied im Ausschuss „Satzung, Berufsordnung und Berufsethik“.
Zum Deutschen Psychotherapeutentag (DPT) waren ebenfalls Ergänzungswahlen notwendig. Die Kammerversammlungsmitglieder stimmten für Nicole Kaußen als Delegierte sowie Bernadette Bajog (Fraktion Bündnis KJP) und Claudia Melcher als stellvertretende Delegierte.
Außergewöhnliche Belastungen für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten
Ein Antrag, den Vorstand mit einer Erhebung zur berichteten Häufigkeit außergewöhnlicher Belastungen für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten in Nordrhein-Westfalen zu beauftragen, wurde nach ausführlicher Diskussion nicht zur Abstimmung gestellt. Der Vorstand bekundete jedoch, dieses Thema mit auf seine Agenda zu nehmen.
Berichte der Ausschüsse und Kommissionen
Die Ausschüsse und Kommissionen der Kammer hatten ihre Berichte im Vorfeld der Kammerversammlung schriftlich eingereicht; einzelne Gremien informierten auch mündlich über ihre Aktivitäten. Für drei Ausschüsse wurden die Arbeitsaufträge beschlossen.
Beschlussfassung zu Resolutionen
Die 6. Kammerversammlung der Psychotherapeutenkammer Nordrhein-Westfalen verabschiedete mit großer Geschlossenheit vier Resolutionen mit Forderungen an Politik und Gesellschaft:
„Für evidenzbasierte Prävention und transparente Strukturen – gegen Register und Generalverdacht bei psychischen Erkrankungen“ [PDF, 119 KB]
„Nutzung digitaler Medien bei Kindern und Jugendlichen – seelische Gesundheit schützen!“ [PDF, 124 KB]
„Versorgung verbessern - Psychische Gesundheit stärken: Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD zügig umsetzen!“ [PDF, 35 KB]
Andreas Pichler dankte den Kammerversammlungsmitgliedern abschließend für ihre vielschichtigen Beiträge und die konzentrierte, konstruktive Mitarbeit.