Großer Ratschlag zur Reform der Psychotherapeutenausbildung

Die Psychotherapeutenkammer NRW (PTK NRW) hatte für den 5. April 2017 die Mitglieder ihrer Kammerversammlung zum „Großen Ratschlag“ zur Reform der Psychotherapeutenausbildung nach Neuss eingeladen. Sie kam damit dem Wunsch der Kammerversammlungsmitglieder nach, sich zu diesem facettenreichen Thema umfangreicher und intensiver austauschen und beratschlagen zu können, als es der Zeitrahmen der regulären Sitzungen zulässt. „Wir möchten über den aktuellen Stand der Reform und die Arbeit im Projekt Transition der Bundespsychotherapeutenkammer informieren, die Finanzierungsmodelle für die ambulante Weiterbildung beleuchten und gemeinsam die Konzeptentwicklung der Aus- und Weiterbildung diskutieren“, kündigte Gerd Höhner, Präsident der PTK NRW, in seiner Begrüßung der rund 40 Teilnehmerinnen und Teilnehmer an.

Der Bedarf für eine Reform der mit dem Psychotherapeutengesetz 1998 geschaffenen bundeseinheitlichen Ausbildung von Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten ergibt sich zum einen aus den veränderten Zugangsvoraussetzungen, zu denen es durch die Einführung der Bachelor- und Masterabschlüsse im Zuge des Bologna-Prozesses kam. Zum anderen gilt es die finanziell prekäre und rechtlich unklare Situation der Psychotherapeuten in Ausbildung zu verbessern und mit Blick auf das breite Tätigkeitsfeld der Profession die Qualifizierungsmöglichkeiten zu erweitern. Seit 2005 befindet sich die Profession hierzu in einer intensiven Debatte mit dem Bundesministerium für Gesundheit; im November 2014 verabschiedete der 25. Deutsche Psychotherapeutentag (DPT) den Beschluss und Eckpunkte zur Reform der Psychotherapeutenausbildung.

Meilensteine und Stand der Reformdebatte

Einen Überblick über die bisherigen Meilensteine und das Gesamtkonzept zur Reform der psychotherapeutischen Aus- und Weiterbildung gab Dr. Johannes Klein-Heßling. Der wissenschaftliche Referent der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) skizzierte den Beschluss des 25. DPT, eine zweiphasige wissenschaftliche und berufspraktische Qualifizierung zu konzipieren. Vorgesehen sei ein Studiengang auf Masterniveau, der mit Staatsexamen und Approbation abschließt. Die sich anschließende Weiterbildung beinhalte eine Verfahrensvertiefung und die Qualifizierung für die psychotherapeutische Behandlung von Erwachsenen oder Kindern und Jugendlichen. Eine erfolgreich abgeschlossene Weiterbildung sei die Voraussetzung dafür, als Psychotherapeutin oder Psychotherapeut eigenverantwortlich gesetzlich Krankenversicherte im ambulanten und stationären Bereich behandeln zu können.

Mit Blick auf die Arbeit im Projekt Transition der BPtK, das sich seit Anfang 2015 mit Detailfragen zur Reform befasst, betonte Dr. Johannes Klein-Heßling, dass man bestrebt sei, mit breiter Beteiligung der Profession zu arbeiten und die Expertise der unterschiedlichen Bereiche zu nutzen. „Allen Beteiligten ist dabei bewusst, dass eine Reform nur dann erfolgreich sein wird, wenn sie zugleich bestehende Versorgungsprobleme bessert oder gar löst.“

Im Folgenden fasste er die zentralen Aufgaben auf dem Weg zu einem Gesamtkonzept zusammen: die Novelle des Psychotherapeutengesetzes, die Entwicklung von Kompetenzzielen für die Aus- und Weiterbildung, die Klärung von Details eines Approbationsstudiums, Vorschläge für eine Weiterbildung mit Spezialisierung in den Psychotherapieverfahren und auf eine Altersgruppe sowie die Prüfung von Modellen für die Organisation und Finanzierung der Weiterbildung. In allen Punkten seien die Arbeiten fast abgeschlossen oder weit vorangeschritten, informierte Dr. Johannes Klein-Heßling.

Mit Blick auf die mögliche Organisation und Finanzierung der Aus- und Weiterbildung stellte er einige zentrale Ergebnisse der von der BPtK in Auftrag gegebenen Expertisen des Essener Forschungsinstituts für Medizinmanagement (EsFoMed) und des Deutschen Krankenhausinstituts (DKI) vor.

Er betonte, es müsse in der Weiterbildung die komplementäre Versorgung mitgedacht werden. „Für diesen Bereich ergibt sich durch die Vielfalt der Einrichtungsformen, die unterschiedlichen personellen und fachlichen Anforderungen und die unterschiedlichen Finanzierungsvoraussetzungen eine besondere Situation“, hob der Referent hervor. „Daher wird an einem Konzept gearbeitet, wie die offenen Fragen durch eine weitere Expertise beantwortet werden können.“

Organisation und Finanzierung der ambulanten Weiterbildung

Dr. Walter Ströhm von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Ausbildungsträger (BAG) erläuterte für die Kammerversammlungsmitglieder zentrale Erkenntnisse des EsFoMed-Gutachtens zur möglichen Organisation und Finanzierung der ambulanten Weiterbildung. Hinsichtlich der verschiedenen Vergütungs- und Finanzierungsmodelle bekräftigte er: „Derzeit sind Psychotherapeuten in Ausbildung gezwungen, in einem prekären Umfeld tätig zu werden. Es ist an der Zeit und wir müssen uns dafür einsetzen, dass der Nachwuchs, der in Zukunft unseren Beruf ergreifen wird, einen besseren Stand hat. Nach derzeitigen Hochrechnungen müssten etwa 200 Millionen Euro zusätzlich in das System fließen, um eine angemessene Vergütung von Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten in Weiterbildung zu sichern. Wie sich dieser Zufluss finanzieren lässt, ist eine der zentralen Fragen, die im Zuge der Reform beantwortet werden müssen.“

Kapazitäten in der Weiterbildung sichern

Im Austausch über die weiteren Schritte für eine Reform der Psychotherapeutenausbildung wurde vorgetragen, dass das Verhältnis von Theorie- und Praxisanteilen im Studium sorgfältig zu planen sei. Klären müsse man zudem, welche Handlungskompetenzen approbierte Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten erworben haben und welche Kompetenzen in den Bereich der Weiterbildung fallen. Ebenso wurde die Herausforderung angesprochen, ein stimmiges Verhältnis zwischen Studienabschlüssen und Weiterbildungsplätzen zu schaffen. Die Zahl der Therapeutinnen und Therapeuten, die jährlich neu in das System eintreten müssen, um die Versorgungsleistungen zu sichern, wird derzeit auf rund 2.500 geschätzt. Gesprächsbedarf offenbarte sich zudem hinsichtlich der Regelungen für den Übergang von einem staatlich organisierten Studium in die vom Land ausgestaltete Weiterbildung.

Vielfalt erhalten, Zugänge klären

Hinsichtlich der Konzeption der Weiterbildung führte ein Kammerversammlungsmitglied an, dass es weiterhin möglich sein müsse, in jeder Fachrichtung die notwendige Qualität zu erwerben. Kammerpräsident Gerd Höhner bezeichnete es als fachliche Ausgabe mit politischer Relevanz, die Vielfalt der Profession zu erhalten. „Ich halte das für sehr gut möglich, wenn wir die Versorgungsvielfalt darstellen und verdeutlichen, dass alle von einer Auseinandersetzung der Verfahren untereinander profitieren.“

Mehrere Kammerversammlungsmitglieder sprachen an, dass es ein dringliches Anliegen sei, die rechtlichen Rahmenbedingungen der Weiterbildungsstätten, ihrer Ermächtigung und ihrer Finanzierung zu klären. Gleichfalls sei der Zugang in die Weiterbildung zu definieren. Als wichtiges Argument für die ambulante Weiterbildung von Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten wurde hervorgehoben, dass in den Kliniken die Richtlinienpsychotherapie in aller Regel nicht durchgeführt und nicht gelehrt wird, so dass sie nur im ambulanten Bereich erlernbar sei. Weitere Aspekte im Austausch über die anstehenden Aufgaben im Reformprozess waren die Zulassungsbedingungen für den Übergang vom Bachelor- in den Masterstudiengang, das Prüfungsraster der neuen Ausbildungsstrukturen und wie der Abschluss der Weiterbildung gestaltet werden kann.

Mehrfach klang an, dass es nun zunächst darauf ankomme, die Grundlagen für eine Finanzierung zu klären und wesentliche Arbeitspakete zu schnüren. „Sicher sind noch viele weitere Details zu besprechen“, fasste Gerd Höhner zusammen. „Vieles gilt es jedoch dann konkret auszuhandeln, wenn das Gesetz vorliegt. Der Entscheidung für die Reform sehe ich zuversichtlich entgegen – wir empfangen keine Signale aus Berlin, die etwas anderes besagen würden.“ Abschließend betonte der Kammerpräsident, dass die Profession mit ihrem bisherigen Arbeitsstand zufrieden sein könne. „Es ist viel in Bewegung gekommen und wir blicken auf sehr gute Ergebnisse. Erfreulich ist dabei, dass in dem bisherigen Arbeits- und Diskussionsprozess jeder zu Wort gekommen ist und wir eine Linie gefunden haben, bei der weitgehend jeder mitgeht. Wir treten mittlerweile sehr geschlossen und zielstrebig auf. Dies ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass man in der Politik auch Gehör findet.“

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