Kammerversammlung vom 14. Dezember 2012

Die unzureichende Reform der Bedarfsplanung und die viel zu geringe Honorarsteigerung in der ambulanten Psychotherapie waren zwei der herausragenden Themen der Kammerversammlung vom 14. Dezember 2012 in Dortmund. Monika Konitzer, Präsidentin der Psychotherapeutenkammer NRW, stellte in ihrem mündlichen Vorstandsbericht die Ergebnisse der Vergütungsverhandlungen zwischen GKV-Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen und Kassenärztlicher Bundesvereinigung dar. Danach ist ab dem 1. Januar 2013 eine Anhebung des Orientierungspunktwertes gültig, die bei niedergelassenen Psychotherapeuten eine minimale Anhebung der Vergütung pro Sitzung um 73 Cent bedeutet. „Dies führt inflationsbereinigt zu Einkommensverlusten“, kritisierte Präsidentin Konitzer diesen Beschluss des Bewertungsausschusses vom 22. Oktober, dem allerdings noch weitere Vergütungsverhandlung auf Landesebene folgen wird. „Psychotherapeuten stehen am unteren Ende der Einkommenspyramide“, stellte Konitzer fest. „Eine angemessene Vergütung pro Zeiteinheit ist bis heute nicht realisiert.“ Der Bewertungsausschuss hatte ferner empfohlen, die antrags- und genehmigungspflichtige Psychotherapie und probatorische Sitzungen künftig extrabudgetär zu vergüten, zusätzliche psychotherapeutische Praxissitze auf höchstens 1.150 vor allem in ländlichen Regionen zu begrenzen und bis Mitte 2013 die Psychotherapie-Richtlinie zu überprüfen.

Resolutionen zur Gesundheitspolitik und Vergütung

Die Kammerversammlung bekräftigte in drei Resolutionen zentrale Positionen der nordrhein-westfälischen Psychotherapeutenschaft: Die geplante Reform der Bedarfsplanung gefährdet danach die psychotherapeutische Versorgung, eine minimale Honorarsteigerung von lediglich 73 Cent je psychotherapeutischer Sitzung ist inakzeptabel und eine Weiterentwicklung der Psychotherapierichtlinien darf nicht vorrangig aufgrund ökonomischen Erwägungen erfolgen, sondern muss sich an Versorgungsnotwendigkeiten und dem Nutzen für die Patienten orientieren.

Zur Vergütung forderte die Kammerversammlung insbesondere: „Die Psychotherapeutenkammer NRW fordert die Gesundheitspolitik und den Gesetzgeber auf, die bisher nur allgemein gehaltene Bestimmung zur angemessenen Vergütung der psychotherapeutischen Leistungen im § 87 Abs. 2b SGB V so zu konkretisieren, dass Psychotherapeuten bei gleichem Arbeitseinsatz ein Einkommen erzielen können, wie es ein im fachärztlichen Versorgungsbereich tätiger Vertragsarzt erreichen kann. Außerdem muss ein jährlicher Abgleich der Einkommen der Psychotherapeuten mit denen der Fachärzte gesetzlich vorgeschrieben und die Höhe der Vergütung psychotherapeutischer Leistungen entsprechend angepasst werden.“

Reform der Bedarfsplanung

Konitzer erläuterte, dass der Grad der Überversorgung bei der Zulassung von niedergelassenen Psychotherapeuten zur gesetzlichen Krankenversicherung künftig noch an Bedeutung gewinne. Bisher habe es nur die Möglichkeit gegeben, freiwillig auf die Zulassung zu verzichten (§105 Abs. 3 SGB V) und dafür finanziell gefördert zu werden. Das Nachbesetzungsverfahren sei bislang zwingend durchzuführen gewesen, wenn der ausscheidende Psychotherapeut wollte, dass seine Praxis weitergeführt wird. Jetzt werde immer in einem ersten Schritt geprüft, ob die Praxis aus Versorgungsgründen fortgeführt werden soll (§ 103 Abs. 3a SGB V, neu ab 1.1.2013).

Bundesweit würden ab 2013 rund 6.700 Praxissitze als überversorgt ausgewiesen, gegenüber 1.380 Sitzen, die vor allem in ländlichen Gebieten zusätzlich geschaffen werden. „Schon heute ist die Versorgung bei durchschnittlichen Wartezeiten von drei Monaten nicht sichergestellt“, kritisierte Konitzer. In NRW entständen durch die Reform der Bedarfsplanung knapp 60 Sitze zusätzlich, fast 1.600 Sitze würden jedoch als überversorgt ausgewiesen. Die „Sonderregion“ Ruhrgebiet bliebe in der Bedarfsplanung bestehen, mit der Folge, dass auch weiterhin die Großstädte zwischen Duisburg und Dortmund wesentlich schlechter psychotherapeutisch versorgt seien als alle anderen Großstädte in Deutschland. „Das ist Sparen zu Lasten psychisch kranker Menschen“, stellte die NRW-Präsidentin fest. „Historische Planungsfehler werden nicht korrigiert. Es bleibt beim Aufsatzjahr 1999. Es bleibt bei Psychotherapeuten beim Raumordnungsbezug Gesamtdeutschland und nicht wie bei den anderen Arztgruppen Westdeutschland. Das ist keine Bedarfsplanung nach sachgerechten Kriterien.“

Konitzer berichtete, dass die Psychotherapeutenkammer NRW inzwischen 8.607 Mitglieder habe, für die insgesamt 35 Veranstaltungen durchgeführt worden seien. Neben zahlreichen Fortbildungen gehörten dazu auch zwei „Tag(e) der Neuapprobierten“, die Festveranstaltung zum zehnjährigen Bestehen der Psychotherapeutenkammer NRW „Psychische Gesundheit im Fokus“ in Düsseldorf, der 8. Jahreskongress Psychotherapie in Bochum zum Thema „Psychotherapie bei Eltern und Kindern – Wirkungen und Nebenwirkungen“. Ferner seien 150 Berufsaufsichtsverfahren in Bearbeitung, davon mehrere vor Berufsgerichten. Zum Alltagsgeschäft gehörten auch die Fortbildungsakkreditierungen und -zertifikate, die Aufnahme in Sachverständigenlisten und die Zusatzbezeichnung „Klinische Neuropsychologie“, über die inzwischen 39 Kammerangehörige verfügten. Die Mitglieder seien fortwährend über Sprechstunden beraten und mit Mitgliedermailings, Newslettern und über die NRW-Seiten des Psychotherapeutenjournals informiert worden.

Neues Psych-Entgeltsystem

Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr hat am 19. November einen neuen Entgeltkatalog für psychiatrische und psychosomatische Krankenhäuser per Ersatzvornahme eingeführt, nachdem die Deutsche Krankenhausgesellschaft und der GKV-Spitzenverband sich nicht einigen konnten. Damit können ab dem 1.1.2013 in der stationären Behandlung von psychisch kranken Menschen Tagespauschalen erprobt werden bis dann in 2017 nach diesen Pauschalen vergütet wird. Die Zuordnung zu den Pauschalen erfolgt insbesondere über Haupt- und Nebendiagnosen. So gilt z.B. für alle Suchterkrankungen eine Pauschale. Das neue Finanzierungssystem hat das Kürzel „PEPP“ - Pauschalierendes Entgeltsystem für Psychiatrie und Psychosomatik.

Aus der Sicht der PTK NRW ist das neue PEPP-System eine Chance, den Psych-OPS weiterzuentwickeln, die Behandlung in psychiatrischen und psychosomatischen Krankenhäusern stärker an Behandlungsleitlinien zu orientieren sowie eine angemessene Vergütung aufwändiger Behandlungen zu ermöglichen. „Die Notwendigkeit für Stellen von approbierten Psychotherapeuten in Krankenhäusern wird besser darstellbar“, betonte Präsidentin Monika Konitzer. Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) hatte die Ersatzvornahme durch das Bundesgesundheitsministerium begrüßt, da das neue PEPP-System dadurch mit realen Krankenhausdaten erprobt werde und das neue Finanzierungssystem sich lernend entwickeln könne.

BPtK-Befragung angestellter Psychotherapeuten

Die BPtK plant, im Februar 2013 bundesweit alle angestellten Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten zu ihrer beruflichen Situation zu befragen. Die Befragung wird anonym zusammen mit dem renommierten IGES-Institut durchgeführt. Ziel ist es, verlässliche Daten über die berufliche Position, Tätigkeitsspektren, (Führungs-)Aufgaben und Funktionen der angestellten Psychotherapeuten zu erhalten. Eine verbesserte Datenlage ist wichtig, um die Interessen der Psychologischen Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten z.B. in Krankenhäusern, aber auch Beratungsstellen, besser vertreten zu können. Die PTK NRW bittet deshalb dringend um breite Unterstützung und Mitwirkung aller angestellten Psychotherapeuten.

Ausbildung

Die Kammerversammlung bekräftigte ihre Forderung nach einer leistungsgerechten Vergütung für Psychotherapeuten in Ausbildung (Resolution vom 9.12.2011) und nahm den Bericht der Kommission Ausbildung entgegen, die über Chancen und Risiken der vom Bundesgesundheitsministerium vorgeschlagenen Direktausbildung in Psychotherapie berät.

Leitbild der Psychotherapeutenkammer NRW

Kammerpräsidentin Monika Konitzer stellte die Auswertung der Leitbilddiskussion in der vergangenen Kammerversammlung vor. Die Ziele des Leitbildprozesses würden geteilt. Wesentliche Ziele seien: ein aussagekräftiges Leitbild, mit dem sich Vorstand, Kammerversammlung und Geschäftsstelle identifizieren können, die Entwicklung einer gemeinsamen Handlungsorientierung und ein einheitliches Verständnis der grundsätzlichen Ausrichtung, der Funktion und der Hauptaufgaben der Psychotherapeutenkammer. Ein wesentlicher Punkt sei dabei, die Funktionen von Präsident/in, Vorstand insgesamt, einzelner Vorstandsmitglieder, der Kammerversammlung, der Ausschüsse und Kommissionen zu klären und eine „realistisches Idealbild“ zu erarbeiten. Der Vorstand erstelle jetzt einen überarbeiteten Leitbildentwurf. Danach soll das Leitbild in der Kammerversammlung beraten und verabschiedet werden. Die Kammerversammlung beschloss im Rahmen des Leitbildprozesses Möglichkeiten einer stärkeren regionalen Ausrichtung der Kammeraktivitäten zu diskutieren und zu erarbeiten.

Diskussion: Beiträge je nach Einkommen?

Hermann Schürmann, Vizepräsident der Psychotherapeutenkammer NRW, stellte die Eckpunkte des Vorstands zu einer neuen Beitragsordnung zur Diskussion, bei der sich die Höhe der Kammerbeiträge nach der Höhe der Einkommen der Kammermitglieder richtet.

Schürmann erläuterte, dass die PTK NRW bestimmte Aufgaben nach dem Heilberufsgesetz NRW zu erfüllen habe. Zur Erfüllung dieser Aufgaben sei die Kammer berechtigt, von ihren Mitgliedern Beiträge zu erheben. Dabei müssten sich die Beitragseinnahmen nach den prognostizierten Kosten richten (Kostendeckungsprinzip). Durch das Bundesverwaltungsgericht sei außerdem festgelegt worden, dass die Beiträge sich nach dem Äquivalenzprinzip sowie dem Gleichheitsgrundsatz bzw. Willkürverbot richten müssten. Aus dem Äquivalenzprinzip folge, dass die Höhe der Beiträge in keinem Missverhältnis zum Wert der Mitgliedschaft stehen dürfe. Die Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben sei ein immaterieller Wert für die Mitglieder. Der Beitrag müsse deshalb nicht zu einem unmittelbaren wirtschaftlichen Vorteil für die Mitglieder führen. In der Praxis sei der Gleichheitsgrundsatz weitaus wichtiger. Für die Erhebung von Mitgliedsbeiträgen durch eine öffentlich-rechtliche Körperschaft bedeute dies, dass den wesentlichen Verschiedenheiten der Mitglieder Rechnung getragen werden müsse. Das Bundesverwaltungsgericht habe wiederholt konkretisiert, dass Beiträge die steuerpflichtigen Einkünfte der Mitglieder aus ihrer beruflichen Tätigkeit zur Grundlage haben dürfen. Mit der Höhe der beruflichen Einkünfte nehme auch der materielle und immaterielle Nutzen der Kammer zu. Außerdem entspreche es dem Gedanken der Solidargemeinschaft, wirtschaftlich schwächere Mitglieder auf Kosten der Leistungsstärkeren zu entlasten, so dass jeder unterschiedlich zu den Kosten der Körperschaft beitrage.

Schürmann stellte außerdem die Umfrageergebnisse zur wirtschaftlichen Situation der Kammermitglieder vor. Danach verteilt sich das Jahreseinkommen nahezu gleichmäßig über die Einkommensklassen ab 20.000 bis 80.000 Euro und mehr. Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten verfügten im Durchschnitt über ein geringeres Einkommen als Psychologische Psychotherapeuten.

Schürmann plädierte deshalb dafür, die bestehende Beitragsordnung der PTK-NRW, nach der alle Mitglieder grundsätzlich den gleichen Einheitsbeitrag zahlen, zu ändern. Sie solle durch eine Beitragsordnung ersetzt werden, in der sich die Beiträge grundsätzlich nach den Einkünften aus selbständiger und nichtselbständiger psychotherapeutischer Tätigkeit richten. Maßgeblich sei der Steuerbescheid des vorvergangenen Jahres. Der Kammerbeitrag errechne sich dann mittels eines Prozentsatzes vom Jahreseinkommen („Hebesatz“). Das Mitglied stufe sich selbst in eine Beitragsklasse ein. Die Geschäftsstelle überprüfe die Einstufung jährlich bei zehn Prozent der Mitglieder oder bei begründetem Verdacht. Ferner solle es Ausnahmeregelungen geben, um unzumutbare Härten zu vermeiden.

In der anschließenden Diskussion berichtete Gerd Hoehner, Mitglied des Finanzausschusses, dass die Mehrheit der Finanzausschussmitglieder nicht zu der Überzeugung gekommen sei, dass ein dringender Handlungsbedarf bestehe, die Beitragsordnung zu ändern. Er könne nicht erkennen, welches Problem damit beseitigt werden solle. Die Vorsitzende des Finanzausschusses, Uschi Gersch, erläuterte, dass die Einkommen von Ärzten und Psychotherapeuten nicht vergleichbar seien. Bei Ärzten gebe es eine andere Dimension an Einkommen, so dass sich die Gerechtigkeitsfrage anders stelle. Andere Mitglieder der Kammerversammlung hielten die Eckpunkte des Vorstandes für hilfreich und zielführend. Gerade niedere Einkommensklassen seien durch den Einheitsbeitrag hoch belastet. Diese Ungerechtigkeit müsse behoben werden. Weitere Delegierte betonten, die Einkommen der Kammerversammlungsmitglieder seien nicht repräsentativ für die gesamte Mitgliedschaft der Kammer. Vor allem die niedrigeren  Einkommen der Frauen, die den Großteil der Kammermitglieder bilden, müssten berücksichtigt werden. Ein Einheitsbeitrag sei ungerecht. Wer mehr Einkommen erziele, könne auch mehr beitragen. Präsidentin Monika Konitzer mahnte ebenfalls, nicht die eigenen Interessen in den Vordergrund zu stellen, sondern sich der Verantwortung gegenüber allen Kammerangehörigen bewusst zu sein.

Der Kammerversammlung lagen Anträge der Fraktionen Kooperative Liste und der Fraktion Bündnis KJP vor, den Vorstand zu beauftragen, einen Entwurf für eine Änderung der Beitragsordnung, entsprechend den Vorstandseckpunkten, vorzulegen. Nach längerer Beratung wurde ein Antrag angenommen, mit dem der Vorstand beauftragt wurde, zusätzlich dazu auch alternative Entwürfe vorzulegen, z.B. Beibehaltung des Regelbeitrags mit erweiterten Ermäßigungsmöglichkeiten.

Änderung der Entschädigungs- und Reisekostenordnung

Da die Höhe der Aufwandsentschädigungen seit 10 Jahren unverändert geblieben war, beschloss die Kammerversammlung eine Anpassung der Aufwandsentschädigungen für die Teilnahme an Sitzungen von 40 auf 50 Euro pro Stunde. Die Vorstandspauschalen wurden entsprechend angepasst. Außerdem werden ausscheidende Vorstandsmitglieder zukünftig ein Übergangsgeld erhalten.

Haushalt

Die Kammerversammlung entschied über  den Jahresabschluss 2011. Das Jahr schloss mit einem Überschuss von rund 155.000 Euro ab, bedingt sowohl durch ein höheres Aufkommen an Kammerbeiträgen als auch niedrigeren Ausgaben für Personal als im Haushaltsplan angesetzt. Die Kammerversammlung entlastete den Vorstand und beschloss, den Überschuss der Rücklage zuzuführen und Rückstellungen für die Übergangsgelder zu bilden.
Vizepräsident Hermann Schürmann erläuterte, dass der Vorstand geprüft habe, ob für die Psychotherapeutenkammer NRW der Erwerb einer Immobilie wirtschaftlich und rechtlich möglich sei, um eigene Räume für die Geschäftsstelle und Fortbildungen sowie sonstige Veranstaltungen zur Verfügung zu haben. Schürmann erläuterte, dass der Kauf einer Immobilie nicht aus den Rücklagen und nur mit Beitragserhöhungen zu finanzieren sei. Nach Einschätzung des Vorstands sei deshalb aktuell ein Immobilienerwerb nicht wirtschaftlich. Stattdessen wurde im Haushaltsplan berücksichtigt, dass in 2013 weitere Räume am bisherigen Standort der Geschäftsstelle angemietet werden.

Nach längerer Diskussion verabschiedete die Kammerversammlung mit deutlicher Mehrheit den Haushaltsplan 2012, wie vom Vorstand beantragt.

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