Kann kontrolliertes Trinken Alkoholikern helfen?

NRW-Psychotherapiekongress diskutiert neue Behandlungskonzepte

Hartnäckig halten sich überholte Vorstellungen, dass ein Alkoholiker erst therapierbar ist, wenn Arbeit, Partnerschaft und Führerschein verloren sind. „Tatsächlich erschwert dieses lange Abwarten die Behandlung“, stellt Dr. Christoph Koban von der Ruhr-Universität Bochum anlässlich des 5. Jahreskongresses Psychotherapie in NRW am 24./25. Oktober in Bochum fest. Ein Alkoholiker trinkt durchschnittlich bereits mehr als zehn Jahre, bevor er eine Behandlung erhält. Suchtexperten diskutieren deshalb in Bochum, ob kontrolliertes Trinken helfen kann, Alkoholiker und Alkoholgefährdete frühzeitiger zu einer Behandlung zu motivieren. Dieses Konzept basiert auf internationalen Studien und wird z. B. schon in Australien, Kanada, Großbritannien eingesetzt.

Abstinenz als einzig mögliches Behandlungsziel kann Jene abschrecken, die auf Alkohol (noch) nicht verzichten oder nicht als "Alkoholiker" etikettiert werden möchten. Experten diskutieren deshalb, ob ein Abhängiger zunächst zu kontrolliertem Trinken niedrigerer Alkoholmengen zu motivieren ist. Dabei stellt ein Therapeut mit dem Patienten einen genauen Wochenplan auf, der festlegt, wie viel der Patient maximal trinken oder an welchen Tagen er überhaupt nicht trinken darf. Der Alkoholiker soll auch lernen, bei geselligen Anlässen, die er bisher zum Trinken nutzte, auf Alkohol zu verzichten. Das neue Behandlungskonzept soll insbesondere verhindern, dass sich ein Alkoholiker durch eine lange Suchtkarriere sozial und wirtschaftlich ruiniert. Außerdem können so Langzeitfolgen einer schweren Alkoholkrankheit wie z. B. massiven Persönlichkeitsstörungen, Leberzirrhose, multiple Organschädigungen oder Herzinfarkt besser vorgebeugt werden. Ein wirtschaftlicher Vorteil ist, dass die frühzeitige Behandlung einer Alkoholkrankheit auch ambulant durchgeführt werden kann und teure Krankenhausbehandlungen vermieden werden.

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