Reger Austausch auf dem Nordrhein-Westfälischen Kooperationstag Sucht am 6. September 2023

Der 11. Nordrhein-Westfälische Kooperationstag Sucht am 6. September 2023 rückte unter der Überschrift „(Zusammen) Leben – Mit freundlicher Unterstützung“ Hilfen für suchtbelastete Lebensgemeinschaften in den Fokus. Rund 170 Teilnehmende waren der Einladung in die Hochschule für Gesundheit in Bochum gefolgt. Sie brachten Perspektiven aus der Selbsthilfe und unterschiedlichen Arbeitsbereichen zum Thema Sucht ein und nutzen angeregt die Gelegenheit, miteinander ins Gespräch zu kommen. 

Dr. Anne Pauly, Leiterin der Geschäftsstelle Suchtkooperation NRW, motivierte in ihrer Begrüßung dazu, die Veranstaltung als Plattform für den Austausch von Erfahrungen zu nutzen, Wissen zu bündeln und sich zu vernetzen. Der diesjährige Kooperationstag Sucht befasse sich schwerpunktmäßig mit der Stigmatisierung von Menschen mit Suchterkrankungen und den Folgen für Betroffene und ihre Angehörigen. Das Hilfesystem sei mit verantwortlich, bestehende Stigmata und Hürden abzubauen. Lars Andre Ehm, Leiter der Gruppe VB Gesundheitsversorgung, Prävention, Digitalisierung im Gesundheitswesen des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen, betonte in seinem Grußwort, dass suchterkrankte Menschen häufig Ausgrenzung erfahren, Scham entwickeln und sich zurückziehen würden. Diese Mischung aus Ausgrenzung und Rückzug sei für die mit Sucht konfrontierten Lebensgemeinschaften eine große Belastung und für das Hilfesystem eine große Herausforderung. Dieser wolle man sich auch in der Landespolitik stellen. Prof. Dr. Eike Quilling, Vizepräsidentin der Hochschule für Gesundheit, betonte den gewollt interdisziplinären Charakter des Fachtages und wünschte allen Beteiligten einen konstruktiven Austausch.

Von Scham und Stigma zu Würde und Zugehörigkeit

Prof. Dr. Georg Schomerus, Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Leipzig, erläuterte in seinem Vortrag „Von Scham und Stigma zu Würde und Zugehörigkeit“ Stigmatisierung als einen Faktor, der auf unterschiedlichen Ebenen Suchtprobleme verstärken würde. Menschen mit einer Abhängigkeitserkrankung würden vielfach selbst für ihre Situation verantwortlich gemacht. Die auf individueller Ebene erlebte Diskriminierung führe dazu, dass sie ihre Probleme geheimhalten, ihren Konsum womöglich steigern und oft spät Hilfe suchen. Strukturelle Probleme sehe er unter anderem darin, dass Suchterkrankungen im Behandlungssystem wenig Priorität hätten. Auch lange Wartezeiten auf eine Psychotherapie würden zu den Hemmschwellen zählen, sagte Prof. Dr. Georg Schomerus. Im Zusammenspiel solcher Faktoren entstünde ein exklusives Setting, das viele Patientinnen und Patienten ausgrenzen würde. Notwendig wäre jedoch eine inklusive Therapie, die sich den Betroffenen anpasst. Abschließend appellierte der Experte, die Verantwortung für weniger Stigma und mehr Zugehörigkeit für Menschen mit Suchterkrankungen und ihre Angehörigen so breit anzunehmen, wie sie individuell aber auch kollektiv/sozial verteilt sei. So seien beispielsweise aus der Konsumkultur, der Verfügbarkeit und mangelnden Kennzeichnung von Suchtstoffen und Abhängigkeitsrisiken sowie fehlenden Präventionsmaßnahmen und Hilfen auch für Angehörige Konsequenzen zu ziehen und Handlungsfelder zu entwickeln. Im Anschluss an den Vortrag nutzten die Teilnehmenden rege die Gelegenheit, ihre Fragen an Herrn Prof. Dr. Schomerus zu stellen. 

An den informativen Vormittag schlossen sich nachmittags in zwei parallelen Blöcken insgesamt 14 Workshops an. Sie boten den Teilnehmenden die Möglichkeit, einzelne Fragestellungen aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu beleuchten und vertiefend miteinander zu diskutieren. Abstracts zu den Vorträgen und Workshops können auf der Internetseite des Kooperationstags Sucht NRW [externer Link] abgerufen werden.

Der Kooperationstag Sucht NRW ist eine gemeinsame Initiative verschiedener Institutionen und Professionen aus dem Gesundheitswesen. Auch die Psychotherapeutenkammer Nordrhein-Westfalen ist als Kooperationspartnerin beteiligt und hatte für die Veranstaltung am 6. September 2023 den Workshop „Systemisches Arbeiten mit suchtbelasteten Lebensgemeinschaften“ organisiert. Der Fachtag wird vom nordrhein-westfälischen Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales gefördert und bietet allen mit dem Thema Sucht befassten Akteurinnen und Akteuren Möglichkeiten zum Austausch und zur Vernetzung. Angestrebt wird, berufsgruppenübergreifende Ansätze zu fördern und gemeinsame Ziele zu definieren.

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